Das alte Kind
mal, nicht sehr begeistert, dass es ein Mädchen werden würde. Besonders Max Guthrie, ähnlich wie mein Vater, hat Angst, die Familienlinie würde aussterben. Sie saßen völlig frustriert mit ihren vier Töchtern zu Hause und hatten das Thema im Grunde schon aufgegeben. Bis vor zwei Jahren Caroline Guthrie mit achtundvierzig wieder schwanger war. Sie und ihr Mann hatten blendende Laune, und schon bevor eine Ultraschalluntersuchung zur Geschlechtsbestimmung möglich war, erzählten sie überall herum, sie würden einen Sohn bekommen. Auf die Frage, woher sie das wüssten, sagten sie nur, sie hätten es im Gefühl. Sie bekamen tatsächlich einen Jungen. Caroline ist Patientin von Shannon Chandler-Lytton.«
Das nächste Bild folgte. Es zeigte einen großen blonden Mann mit einer blondierten Frau. »Everett Warburton und seine Frau Linda. Everett hat eine etwas ungesunde Fixierung auf blonde, blauäugige Menschen. Er findet dunkle Haare unelegant. Ob das Ganze rassistisch motiviert ist, darüber mag ich nicht spekulieren. Blond ist rezessiv. Seine Frau hat dunkle Haare und dunkle Augen. Sie färbt sie sich blond, und ja, sie trägt farbige Kontaktlinsen, aber das verändert nicht die Gene. Trotzdem haben sie zwei hübsche blonde, blauäugige Zwillingssöhne bekommen. Gleich bei der ersten Schwangerschaft. Das mag Glück oder Zufall gewesen sein, aber Linda Warburton ist Patientin von Shannon Chandler-Lytton.« Er warf Fotos von weiteren Paaren und ihren Kindern auf den kleinen Stapel. »Von diesen Geschichten gibt es noch viele mehr. Ein Ehepaar für sich genommen – okay. Aber so viele Glücksfälle? So viele Wunschkinder? Und alle diese Frauen haben ein und dieselbe Frauenärztin?«
Ben nickte langsam. »Gut. Das sehe ich ein. Da kann man misstrauisch werden. Aber künstliche Befruchtung an sich ist ja nicht verboten.«
»Es sei denn, jemand testet die Embryonen, bevor sie eingepflanzt werden.«
»Auch das ist nicht unbedingt verboten, wenn man, wie im Fall von Lady Hargrave…«
»Doch«, unterbrach ihn Cedric. »Künstliche Befruchtungen müssen alle bei der Human Fertilisation and Embryology Authority gemeldet werden. Die HFEA muss die Untersuchungen am Embryo genehmigen. Und genehmigt werden nur bestimmte Untersuchungen. Es ist nicht erlaubt, Embryonen auf Geschlecht oder Augenfarbe zu untersuchen und sie dann, obwohl sie gesund sind, wegzuwerfen, weil sie nicht das gewünschte Ergebnis erzielen.«
»Woher haben Sie die ganzen Infos?«
Cedric lehnte sich zurück und sah ihn lange an. »Das war Fleißarbeit. Ich habe alles während der letzten Monate zusammengetragen. Seit meine liebe Stiefmutter mir mitgeteilt hatte, dass ich bald einen lieben Halbbruder bekommen würde.«
»Warum nicht die Behörden einschalten?«, fragte Ben, der immer noch nicht wusste, ob er sich wirklich darauf einlassen sollte. Etwas an dieser Sache machte ihm Kopfschmerzen.
Cedric wich der Frage aus. »Die Praxis von Shannon Chandler-Lytton ist sauber. Für diese Untersuchungen braucht man ein spezielles Labor, und alle Labore, mit denen sie sonst zusammenarbeitet, sind ebenfalls sauber.«
Ben sah ihn skeptisch an. »Wie sicher ist das?«
Er bekam keine Antwort, nur einen düsteren Blick.
Jetzt verstand er. »Sie haben bereits die Behörden informiert, und die konnten nichts finden.«
Cedric nickte.
»Ist Ihr Name gefallen?«
»Nein. Ich habe das über ein Anwaltsbüro machen lassen, mit dem ich normalerweise nicht zusammenarbeite. Chandler-Lytton und seine Frau wissen nichts davon. Sie wurde ohnehin nicht überprüft, nur die Labors.«
»Wieso sie nicht?«
»In ihrer Praxis gibt es keine geheimnisvollen Türen, hinter denen sich Labors für In-vitro-Fertilisation verbergen könnten.«
Ben nickte. »Okay. Ich muss darüber nachdenken.«
Cedric lächelte kühl. »Denken Sie nicht zu lange darüber nach. Es geht um mein Erbe. Und Sie können nicht ewig zu Hause rumsitzen und sich vor Entscheidungen drücken. Ihre Freundin will schließlich sehr bald heiraten. Und Kinder kriegen.«
Dieser verdammte Cedric. Er war jünger als Ben, wirkte so blass und zerbrechlich, ihn plagten mehr Neurosen und Phobien, als einem einzigen Menschen guttat, und so scheute er sich vor dieser Welt, die außerhalb seines Hauses in Merchiston stattfand. Trotzdem gab es kaum etwas, das er nicht zu wissen schien.
»Haben Sie schon eine Vorstellung, wie ich an diesen Chandler-Lytton herankomme?«
Cedric nickte zufrieden. »Ich wusste, Sie würden
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