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Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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vorsichtig, erstaunt über die Richtung, in die Patricia drängte.
    »Hast du versucht, dich umzubringen?«, entgegnete Patricia.
    Fiona zog die Ärmel ihrer Strickjacke noch ein Stück länger über ihre Hände. »Was soll das jetzt?«
    »Wer so krampfhaft versucht, seine Handgelenke zu verbergen, hat meist einen Grund.«
    Fiona schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe es nicht versucht.«
    »Es würde mich nicht wundern. Depressionen liegen bei uns in der Familie«, sagte Patricia, und sie sagte es so faktisch und ruhig, als ginge es um ein mittelmäßig interessantes medizinisches Phänomen. »Deine Mutter hatte sie geerbt.«
    Fiona schluckte. »Davon weiß ich nichts.«
    »Natürlich nicht. Der gute Roger. Blendete immer aus, was er nicht sehen wollte. Damals war diese Erkrankung ein weit größeres Stigma als heute. Heute gehört es fast schon zum guten Ton, Antidepressiva zu nehmen. Ich verschreibe doppelt so viele, vielleicht sogar dreimal so viele wie noch vor zwanzig Jahren. Nicht, weil es jetzt mehr Menschen mit Depressionen gibt, sondern weil sich jetzt mehr Menschen mit Depressionen ihre Krankheit eingestehen und Hilfe suchen.« Sie fuhr seufzend fort. »Ich hatte zwar keinen Kontakt zu meiner Schwester, aber ich hielt Kontakt zu Roger. Oder er zu mir. Das war Rogers kleines Geheimnis seiner geliebten Victoria gegenüber. Wenn er mit ihr nicht mehr weiterwusste, rief er mich an und bat um Rat. Aber wann immer ich zu ihm sagte: Geh mit ihr zu einem Spezialisten, sie hat die Depressionen unserer Mutter geerbt, machte er zu und behauptete, ich sei eifersüchtig. Das waren anstrengende Gespräche.«
    »Warst du denn eifersüchtig?«
    Patricia lachte. »Nicht, nachdem ich gemerkt hatte, was für ein Langweiler Roger wirklich war.«
    Fiona hob die Augenbrauen.
    »Aber er war dir immer ein guter Vater, nicht wahr?«
    Sie nickte. »Bis auf die Kleinigkeit, dass er mich hier und da angelogen hat, was unsere verwandtschaftliche Beziehung angeht. Und jetzt erfahre ich noch Dinge über meine Mutter…«
    »Und du weißt immer noch nicht alles. Sag mir bitte, wann es dir zu viel wird. Und sag mir endlich, ob du versucht hast, dich umzubringen.«
    Fiona schüttelte den Kopf und schob die Ärmel ihrer Strickjacke zurück, um Patricia die Verbände an ihren Handgelenken zu zeigen. »Letztes Wochenende wurde ich in meiner Badewanne wach und lag in meinem eigenen Blut. Ich konnte rechtzeitig den Notruf wählen. Aber ich kann mich nicht erinnern, mir die Pulsadern aufgeschnitten zu haben. Und ich kann auch nicht glauben, dass ich es getan habe.« Sie sah Patricia fest in die Augen. »Ich weiß, dass ich es nicht getan habe. Ich habe gar keinen Grund, mich umzubringen.«
    Etwas in Patricias Blick veränderte sich, wurde weicher. Sie nahm Fionas Hand. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Und ich weiß nicht, wie viel ich dir zumuten kann.«
    »Aber ich muss doch irgendwann einmal die Wahrheit über mich erfahren. Oder nicht?«
    Patricia drückte ihre Hand. »Ich bin deine Tante, aber ich bin auch Psychiaterin. Ich muss sicher sein, dass du…keinen Unsinn machst.« Sie strich mit dem Daumen über Fionas Verband.
    »Ich habe nicht…«
    »Bist du in therapeutischer Behandlung?«
    Fiona dachte kurz darüber nach zu lügen. Aber was würde das bringen? Entweder sie entschied sich jetzt und hier für die Wahrheit, oder sie verschloss die Augen für immer, folgte Rogers Beispiel, machte sich lebenslang etwas vor und richtete sich in der Lüge ein. »Im Moment nicht.«
    »Aber du warst?«
    »Vor einiger Zeit«, gab sie zögernd zu.
    »Darf ich erfahren, warum?«
    »Längere Geschichte. Nicht jetzt.«
    »Gut. Ich sage es dir noch mal. Du hast es in der Hand. Du bestimmst, wann du wie viel erfährst. Du sagst, wann es dir zu viel wird. Du solltest allerdings nicht versuchen, alleine damit fertig zu werden.«
    Fiona nickte langsam. »Das heißt, du möchtest, dass ich mir wieder einen Therapeuten suche, wenn wir hier fertig sind.« Sie versuchte ein Grinsen.
    »Ja.«
    Fiona zögerte. »Aber vielleicht komme ich damit ja auch allein zurecht. Oder ich spreche mit Roger darüber.«
    Patricia schüttelte den Kopf. »Das würde nicht funktionieren.«
    »Und was ist mit dir? Ich könnte mit dir…«
    »Vergiss es. Man therapiert nicht seine Verwandtschaft.«
    »Ich kann das mit der Therapie nicht versprechen«, sagte Fiona und versuchte, bestimmt zu klingen. Das Zittern in ihrer Stimme verriet sie.
    »Das, was du gerade über dich

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