Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
Vom Netzwerk:
erfährst, wäre für jeden Menschen zu viel, um alleine damit klarzukommen. Bitte, du musst mir versprechen, dass du gleich nächste Woche zu jemandem gehst, der dir hilft.«
    »Okay.« Fiona nickte, um der halbherzigen Lüge Nachdruck zu verleihen.
    Patricia seufzte. »Ich meine das ernst.«
    »Und ich habe gesagt, okay, ich mache es.«
    »Ich werde dir eine Adresse nennen.«
    »Gerne.«
    »Soll ich zum Erstgespräch mitkommen?«
    Fiona verdrehte die Augen. Langsam verlor sie die Geduld. »Es wäre nicht meine erste Therapie. Ich schaffe das alleine, danke. Und jetzt sag mir endlich, was es da über meine Mutter noch alles zu wissen gibt. Sie hatte also Depressionen, und weiter?«
    »Wir hatten noch einen Bruder. Er ist aber früh gestorben.«
    »Muss mich das interessieren?«, fragte Fiona irritiert.
    »Vielleicht später. Es gibt da noch etwas sehr Wichtiges, was deine Mutter betrifft.«
    »Na dann, leg los.« Sie verschränkte die Arme.
    Patricia ließ sich Zeit mit der Antwort. »Am 15. September 1991 gab es keinen Unfall auf der A68 bei Ancrum. Der 15. September war ein wunderschöner Spätsommertag.«
    Fiona schloss die Augen. Kein Unfall? Sie wartete, was ihre Tante zu sagen hatte.
    »In der Nacht zum 16. September fanden zwei Polizisten auf einem Feldweg etwas südlich von Edinburgh den Wagen einer Frau. Sie saß hinter dem Steuer und rührte sich nicht. Die Polizisten dachten, sie hätte getrunken und schliefe ihren Rausch aus. Sie klopften an die Scheibe, um sie zu wecken. Als sie sich nicht rührte, öffneten sie die Fahrertür. Die Frau war tot. Die Obduktion ergab eine Überdosis Valium.«
    Fiona schluckte, die Augen noch immer geschlossen. »Meine Mutter.« Sie spürte, wie Patricia ihre Hände drückte. »Warum diese Lügen?«, fragte sie leise. »Roger hat an ihrem Todestag sogar jedes Mal Blumen in Ancrum niedergelegt.«
    »Deine Mutter hat es so gewollt. Es stand in ihrem Abschiedsbrief. ›Sag Fiona, ich hatte einen Unfall.‹«
    »Und Roger folgte ihrem letzten Wunsch.«
    Endlich öffnete sie die Augen, hob den Blick, sah die Tränen in Patricias Gesicht. »Ist das alles?«
    Patricia schüttelte den Kopf. »Nicht ganz.«

Privatklinik Dr. Bengarz, Kanton Zug, April 1980
     
    Sie starrte so lange auf die Fotos, bis sie nur noch Einzelbilder sah. Augen, Ohren, Lippen, Nasen. Sie musste den Blick abwenden.
    »Trotz der Veränderungen, die die Krankheit mit sich bringt, besteht immer eine eindeutige Familienähnlichkeit. Siehst du, dieser Junge aus Brasilien kommt ganz nach seiner Mutter. Da, die Augen, die Mundpartie…« Ella schob die Porträts von dem zehnjährigen Manuel und seiner Mutter so, dass sie direkt nebeneinanderlagen. »Bei dem französischen Mädchen ist es genau dasselbe. Da sieht man sogar die Ähnlichkeit mit ihren Geschwistern.« Sie zog weitere Fotos hervor, die ihr Dr. Ingram zur Verfügung gestellt hatte.
    Carla legte eine Hand auf ihre Augen und schüttelte den Kopf. »Das wird niemanden überzeugen, niemanden«, seufzte sie.
    »Mich hat es überzeugt. Sieh doch selbst, Junior sieht aus wie die perfekte Kreuzung aus dir und Frederik. Frederiks Augen, aber deine Nase und dein Mund. Im Körperbau kommt er nach dir, die Farben hat er von seinem Vater. Dieselben dunklen Haare, dieselbe Haut, dieselbe Augenfarbe.«
    Carla nickte. »Fliss hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit uns. Nicht mal ihre Augenfarbe stimmt überein. Keiner von uns hat blaue Augen. Warum glaubt mir kein Arzt? Das muss ein Arzt doch sehen!«
    Ella verzog skeptisch den Mund. »Ich war in der Schule mit zweieiigen Zwillingen in derselben Klasse, und wenn man sie sich ansah, hätte man schwören können, dass sie mindestens unterschiedliche Väter, wenn nicht unterschiedliche Eltern haben müssten. Wenn die Vererbungslehre so einfach wäre, hätte ich im Biologie-Abitur nicht so schwitzen müssen.« Sie grinste schief.
    Carla tat ihr den Gefallen und lächelte. Sie zog ein Foto von Frederik hervor und legte es neben ein Bild, das Ella vor ein paar Wochen von Fliss gemacht hatte. Daneben eins von Junior, nur wenige Tage alt. Es war entstanden, als sie zusammen am Ufer des Zuger Sees spazieren gegangen waren. Nein, Fliss ähnelte niemandem. Niemandem, den Carla kannte. Immerhin hatte sie nun Ella ganz auf ihrer Seite.
    »Wie könnte es passiert sein?«, fragte Ella. »Im Krankenhaus waren sie sich ganz sicher, dass sie sie nicht vertauscht haben können.«
    »Sie lügen. Sie wollen nicht, dass es einen Skandal

Weitere Kostenlose Bücher