Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
Vom Netzwerk:
mysteriösen Verschwinden war er offenbar in der Schweiz untergetaucht. Er hatte Zugriff auf ein Nummernkonto, wovon – dem Schweizer Bankgeheimnis sei Dank – niemand wusste, nicht einmal der Britische Geheimdienst. Von dem Geld kaufte er sich unter dem Namen Jonathan Hart ein Haus in Zug, einem Kanton, der wegen des geringen Steuersatzes berüchtigt war für die vielen dort ansässigen Briefkastenfirmen. Jonathan Hart: So hieß der Protagonist der US-Krimiserie »Hart aber herzlich«, die Anfang der 80er-Jahre gelaufen war. Jonathan Hart und seine Frau Jennifer, Millionäre, die in überbordendem Luxus lebten und nebenbei Kriminalfälle lösten. Darney hatte sich offenbar für sehr witzig gehalten. Als Jonathan Hart hatte er die vergangenen zwei Jahre sehr gut, aber auch sehr zurückgezogen gelebt.
    Und doch hatte ihn jemand aufgespürt – und getötet. Vor einer Woche fand man ihn ermordet in seinem Haus, und das, obwohl es gesichert war wie die Bank of England. Man hatte sechs Kugeln auf ihn abgefeuert. Die Waffe hatte man am Tatort zurückgelassen, und trotz modernster forensischer Methoden fanden sich keine verwertbaren Spuren an ihr. Sein Tod warf mehr Fragen auf, als seine Identifizierung beantworten konnte. Erst jetzt war die Sache bekannt geworden, weil die Leiche erst Tage nach dem Mord durch Zufall entdeckt worden war – welcher Zufall das war, wurde nirgends erläutert.
    Ben stand auf und ging an ein Fenster, um zu sehen, ob sich die Situation auf der Straße verändert hatte. Sie hatte: Es waren noch mehr Reporter gekommen. Ü-Wagen diverser Fernsehsender parkten gerade die Straße zu. Die an Ruhe gewöhnten Einwohner von Merchiston würden sich bedanken. Nicht mehr lange, und Bens Kollegen dort unten würden über die Mauer klettern und versuchen, Cedric durch ein Fenster zu fotografieren. Er verließ die Bibliothek, ging hinunter ins Wohnzimmer und zog die Vorhänge zu.
    »Die Geier kommen näher«, sagte er nur, und Cedric, der als Sohn eines Medienmoguls groß geworden war und besser als die meisten anderen wusste, was dort draußen geschah, nickte nur, ohne ihn anzusehen.
    Gegen neun erschien einer von Cedrics Anwälten. Er hatte sich ähnlich wie Ben durch die Reportermeute gekämpft. An der linken Wange blutete er aus einer eindrucksvollen Schramme, und der rechte Ärmel seines Jacketts war zerrissen. Der Anwalt spielte es tapfer runter. »Es ist nichts«, sagte er, kondolierte Cedric im Namen seiner Kanzlei und kam dann gleich zur Sache.
    »Die Testamentseröffnung wird voraussichtlich Ende der kommenden Woche stattfinden können«, sagte er an Cedric gewandt. »Nach meinem Wissensstand ist Ihr Halbbruder zu gleichen Teilen erbberechtigt. Sie haben bisher das Vermögen kommissarisch verwaltet. Das würde sich natürlich ändern. Deshalb wäre es sehr wichtig, wenn wir im Vorfeld darüber reden könnten, ob es Bereiche gibt, für die Sie sich mehr interessieren als für andere. Was ist zum Beispiel mit den Aktienpaketen, mit den Immobilien und so fort. Lassen Sie mich wissen, wann Sie sich in der Lage fühlen, darüber zu sprechen.«
    Cedric nickte, ohne zu antworten.
    »Die Details, was die Beerdigung angeht«, nahm der Anwalt den Faden wieder auf. »Ihre Stiefmutter hat offenbar sehr genaue Vorstellungen, wie sie vonstattengehen soll.«
    »Die Beerdigung regele ich«, sagte Cedric.
    »Ich fürchte, darüber werden Sie mit ihr verhandeln müssen.«
    Ben registrierte die Wortwahl: verhandeln, nicht reden.
    »Übernehmen Sie das«, sagte Cedric nur. »Sie wissen, wie ich darüber denke.«
    Ben vermutete, dass es eine Art Familienritual für Beerdigungen gab. Er wollte nicht nachfragen, es ging ihn nichts an. Cedric würde es ihm erzählen oder es bleiben lassen. Spätestens, wenn die Medien über die Beerdigung berichteten, würde er es erfahren.
    Viel mehr interessierte ihn im Moment, ob Cedrics den Windeln noch lange nicht entwachsener Halbbruder in jedem Falle erbberechtigt war.
    »Lillian Darney hat sich nach dem Verschwinden ihres Mannes künstlich befruchten lassen. Hätte sie da nicht sein Einverständnis gebraucht?«, fragte Ben.
    »Sein Einverständnis lag vor.«
    »Aber wenn die künstliche Befruchtung illegal zustande gekommen ist?«, fragte Cedric.
    Der Anwalt sah ihn mit hochgezogenen Brauen an. »Illegal? Sie meinen, sie hat seine Unterschrift gefälscht? Da gibt es aktuell einen noch nicht entschiedenen Fall, bei dem…«
    »Folgendes Szenario«, unterbrach ihn Cedric, »und wir

Weitere Kostenlose Bücher