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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Vorschein.
    Ryelle zog den Korken mit einem Knall aus der Flasche und leerte den Inhalt waagrecht aus. Die ebenso flinke Sanar fuhr mit dem Stab quer durch das fallende Wasser. Es gefror mitten in der Luft und bildete eine Scheibe aus klarem Eis, so dass nun ein Eisfenster vor Sabriel hing.
    »Pass auf«, befahlen die jungen Frauen, und Sanar tupfte mit ihrem Stab auf das Eisfenster. Es trübte sich bei der Berührung und zeigte rasch eine Szene wirbelnden Schnees und einen Blick auf die Mauer, ehe es zum bewegten Bild wurde – ähnlich einer Aufnahme, die man aus einem fahrenden Wagen filmt. Im Wyverley College war so etwas wie Kino verpönt, doch Sabriel hatte sich in Bain des Öfteren heimlich einen Film angeschaut. Das hier war etwas Ähnliches, aber in Farbe, und natürliche Laute waren so deutlich zu hören, als befände sie sich vor Ort.
    Das Fenster zeigte typisch ancelstierrisches Farmland – ein langes Feld mit erntereifem Weizen und einen Traktor, der in der Ferne angehalten hatte. Sein Fahrer unterhielt sich mit einem Mann auf einem Fuhrwerk, dessen zwei Zugpferde stehen geblieben waren und unter ihren Scheuklappen blinzelten.
    Das Bild raste näher an die beiden Männer heran und machte einen knappen Bogen um sie. Nun waren sogar Gesprächsfetzen zu hören; dann ging es über eine Straße, einen Hügel hinauf, durch ein Wäldchen und zu einer Kreuzung, wo der Kiesweg mit einer Teerstraße zusammentraf. Ein Schild befand sich dort, und das »Auge«, oder was immer es war, fuhr näher heran und vergrößerte das Schild, bis es das gesamte Eisbild ausfüllte. »Wyverley, 2 1/2 Meilen« stand darauf, und es wies die Teerstraße entlang. Dann führte die Aufnahme hinunter zur Ortschaft Wyverley.
    Einige Sekunden später wurde das Bild langsamer und bot einen Blick auf die vertrauten Häuser: die Werkstatt des Hufschmieds und Mechanikers; die Gastwirtschaft; das adrette Häuschen mit der blauen Laterne, in dem der Dorfpolizist residierte. Das alles kannte Sabriel. Sie konzentrierte sich nun noch mehr, denn bestimmt würde die Aufnahme jetzt zu Gegenden Ancelstierres rasen, wo sie noch nicht gewesen war.
    Doch das Bild bewegte sich weiterhin langsam durch die Ortschaft und bog von der Straße zu einem Saumpfad ab, der zu einem bewaldeten Hügel führte, der als Ampferhöhe bekannt war. Hier gab es eine Korkeichenplantage mit einigen uralten riesigen Bäumen. Das wirklich Interessante aber war der Grabhügel, eine rechteckige Steinaufschüttung oben auf der Kuppe. Der Grabhügel… das Bild ging näher heran, bis die gewaltigen, beinahe gleichförmigen graugrünen und dicht aneinander gefügten Steine es ausfüllten. Der Grabhügel war noch gar nicht so alt, wie Sabriel es im Geschichtsunterricht gelernt hatte, erst knapp zweihundert Jahre. Einmal wollte sie sogar einen Ausflug dorthin machen, um ihn aus der Nähe zu betrachten, hatte es sich dann aber anders überlegt…
    Das Bild veränderte sich erneut. Irgendwie sank es durch den Stein, zwischen den Mörtellinien hindurch, die im Zickzack um den Grabhügel verliefen, direkt in die dunkle Kammer auf seinem Grund. Einen Moment lang wurde das Eisfenster völlig dunkel; dann erhellte es sich wieder und zeigte einen monumentalen Bronzesarkophag, der sich tief unter dem Gestein des Grabhügels befand. Auf dem schimmernden Metall bewegten sich mit Freier Magie geschaffene böse Spielarten von Chartersymbolen. Das Bild wich diesen unruhigen Zeichen aus und drang durch die Bronze in das Innere des Sarkophags. Sabriel gewahrte einen Körper – einen lebenden, in Freie Magie gehüllten Körper.
    Das Bild wanderte mit sichtlichen Schwierigkeiten zum Gesicht dieses Körpers. Ein gut aussehendes Antlitz wurde deutlich, das erkennen ließ, was Kerrigor einst gewesen war: Die Züge von Rogirs menschlichem Gesicht verrieten, dass er und Touchstone zweifellos Halbbrüder waren.
    Sabriel war bestürzt und fasziniert zugleich von dieser Ähnlichkeit. Dann verschwamm das Bild plötzlich und verwandelte sich in einen schmutzig grauen Wirbel, der von tosendem Wasser begleitet wurde. Tod. Etwas Riesiges, Monströses watete gegen die Strömung, wie ein Schattenbild aus der Finsternis gerissen, formlos, ohne Merkmale – außer zwei Augen, die mit unnatürlichem Feuer flammten und hasserfüllt auf Sabriel starrten. Zwei Arme wie aufgewühlte Gewitterwolken streckten sich nach ihr aus.
    »Abhorsens Balg!«, schrillte Kerrigor. »Dein Blut wird auf die Steine fließen…«
    Seine

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