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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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minderte Sabriels Jugend den Respekt, der ihr als Chartermagierin wie auch als Nekromantin zustand.
    »Vater lehrte mich, eine Führerin zu rufen, die mir den Weg weisen kann«, erwiderte Sabriel kühl. »Und ich weiß, dass es weniger als vier Tagereisen entfernt ist.«
    Horyse schwieg für einen Moment. Dann nickte er und richtete sich vorsichtig auf, doch so, dass sein Kopf nicht an die offenen Deckenbalken seines Grabens stieß. Er ging zu einem stählernen Aktenschrank, der von Rost zerfressen war, weil dunkelbrauner, nasser Schlamm zwischen den Bodenbrettern herausquoll. Mit einigem Kraftaufwand öffnete er eine Lade und zog eine vervielfältigte Karte heraus, die er auf dem Tisch aufrollte.
    »Es ist uns nie gelungen, eine echte Karte des Alten Königreichs zu bekommen. Ihr Vater besaß eine, aber er war der Einzige, der etwas darauf zu erkennen vermochte – für mich sah die Karte bloß wie ein Stück Kalbsleder aus. Eine unbedeutende Magie, sagte er, doch da er sie nicht weiterzugeben vermochte, war sie wohl gar nicht so unbedeutend… Wie dem auch sei, diese Karte hier ist eine Kopie unserer neuesten Patrouillenkarte, deshalb schließt sie auch nur ein Gebiet, etwa zehn Meilen vom Grenzübergang aus, ein. Der Garnisonsbefehl untersagt es uns strengstens, weiter vorzudringen. Denn über diese Entfernung hinaus kehren Patrouillen meist nicht mehr zurück. Vielleicht desertieren sie. Oder es könnte sein…« Aus seiner Stimme zu schließen, mochte den Patrouillen wesentlich Schlimmeres zustoßen, doch Sabriel fragte lieber nicht. Ein kleiner Teil des Alten Königreichs lag ausgebreitet vor ihr auf dem Tisch, und wieder stieg Erregung in ihr auf.
    »Wir nehmen meist die Alte Nordstraße.« Horyse fuhr sie mit einer Fingerspitze nach. Die Säbelschwielen an seinen Händen raspelten über die Karte wie das feine Sandpapier eines Künstlers. »Dann kehren die Patrouillen entweder südöstlich oder südwestlich zurück, bis sie die Mauer erreichen, an der entlang sie sich zum Tor begeben.«
    »Was bedeutet dieses Symbol?«, erkundigte sich Sabriel und zeigte auf eine schwarz schraffierte Stelle auf einem der ferneren Hügel.
    »Das ist ein Charterstein«, antwortete der Oberst. »Oder vielmehr ein Teil davon. Er wurde vor etwa einem Monat wie von einem Blitz zerschmettert. Seitdem nennen die Patrouillen diese Felshöhe nur noch Spaltkamm und machen einen Bogen darum. Ihr eigentlicher Name ist Barhedrin-Kamm, und der Stein war der Schutzstein der Ortschaft gleichen Namens… vor meiner Zeit jedenfalls. Falls es den Ort noch gibt, muss er weiter im Norden liegen, außerhalb des Bereichs unserer Patrouillen. Wir haben nie gehört, dass irgendwelche Bewohner südwärts zum Spaltkamm gekommen sind. Um ehrlich zu sein, wir hören überhaupt kaum etwas von irgendwelchen Bürgern dort. Aus den älteren Unterlagen der Garnison geht hervor, dass es viele Verbindungen mit den Leuten des Alten Königreichs gab – mit Bauern, Händlern, Reisenden und dergleichen. Aber die Beziehungen ließen im Lauf der letzten hundert Jahre immer mehr nach. Die Patrouillen müssen schon viel Glück haben, wenn sie auch nur zwei bis drei Personen im Jahr sehen – richtige Personen, keine durch Freie Magie erschaffenen Kreaturen oder Toten. Davon sehen wir leider viel zu viele.«
    »Das verstehe ich nicht«, murmelte Sabriel. »Vater erzählte gern von Dörfern und Städtchen, sogar von Großstädten im Alten Königreich. Ich erinnere mich an einige aus meiner Kindheit – aber nur verschwommen.«
    »Tiefer im Innern des Alten Königreichs, sicherlich«, entgegnete der Oberst. »In den Unterlagen sind die Namen vieler Städte aufgelistet, kleine und große. Wir wissen, dass die Leute dort die Gegend um die Mauer ›das Grenzland‹ nennen, und das nicht gerade freundlich.«
    Sabriel antwortete nicht. Sie beugte sich tief über die Karte und dachte an die vor ihr liegende Reise. Der Spaltkamm mochte sich als guter Ausgangspunkt erweisen. Er befand sich keine acht Meilen entfernt, also müsste sie ihn mit den Skiern vor Einbruch der Nacht erreichen, wenn sie sich bald auf den Weg machte und es auf der anderen Seite der Mauer nicht zu heftig schneite. Ein zerschmetterter Charterstein versprach nichts Gutes, aber um ihn herum müsste es etwas Magie geben, und der Pfad in den Tod würde leichter zu begehen sein. Chartersteine wurden dort errichtet, wo Freie Magie floss, und Kreuzungen dieser Art stellten häufig natürliche Tore ins Totenreich

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