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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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vier Kisten zu dem ersten Trittstein geschoben und dort festgehakt. Ein Sklave, der die Kette befestigte, verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber ins Wasser. Sein an ihn gefesselter Leidensgenosse wurde mitgerissen. Ihre Schreie gingen im Tosen des Wasserfalls unter, als dieser sie mit sich riss. Sabriel spürte, wie das Leben der beiden Unglücklichen Sekunden später ausgelöscht wurde.
    Die anderen Sklaven am Ufer hielten einen Augenblick mit der Arbeit inne, entweder aus Schrecken über dieses Ereignis oder weil sie derzeit mehr Angst vor dem reißenden Fluss als vor ihren barbarischen Herren hatten. Doch die Schattenhand auf den Stufen näherte sich ihnen. Ihre Beine, die wie schwarzer Schleim waren, sickerten den Steilhang hinab und quollen über eine Stufe nach der anderen. Unten angekommen, befahl die Schattenhand zwei vor Angst bebenden Sklaven, über die mit Erde gefüllten Kisten zum Trittstein zu steigen. Sie gehorchten sofort und drängten sich unglücklich in der Gischt zusammen.
    Da zögerte die Schattenhand, doch der Mordicant auf dem Sims rührte sich und beugte sich ein Stückchen vor. Daraufhin stieg das grässliche schattenhafte Ding vorsichtig auf die Kisten – und schritt zum Trittstein hinüber, ohne dass ihm das fließende Wasser zu schaden schien.
    »Graberde«, bemerkte Mogget, der das Teleskop offenbar nicht benötigte. »Von den Ortschaften Qyrre und Roble heraufgeschafft. Ich frage mich, ob sie genug davon haben, um es über alle Steine bis hierher zu schaffen.«
    »Graberde«, wiederholte Sabriel düster und beobachtete, wie eine weitere Gruppe Sklaven mit Eimern und Brettern eintrafen. »Ich hatte ganz vergessen, dass sie die Wirkung von fließendem Wasser aufheben kann. Ich dachte… ich dachte, ich wäre hier eine Zeit lang sicher.«
    »Das bist du«, beruhigte Mogget sie. »Es wird wenigstens bis morgen Abend dauern, bis ihre Brücke fertig ist, vor allem, weil die Toten jeden Mittag zwei Stunden lang nichts tun können, wenn die Sonne nicht bedeckt ist. Doch die Planung ist gut – es muss ein kluger Anführer dahinter stecken. Nun, jeder Abhorsen hat Feinde. Vielleicht ist es bloß ein kleiner Nekromant mit mehr Talent für Strategie als die meisten anderen.«
    »Ich habe am Spaltkamm ein Totes Ding vernichtet«, überlegte Sabriel laut. »Es sagte, es würde sich rächen und dass es die Diener von Kerrigor darauf aufmerksam macht. Kennst du diesen Namen?«
    »Ja, ich kenne ihn.« Moggets gerade ausgestreckter Schwanz zitterte plötzlich. »Aber ich kann nicht davon reden, nur so viel: Er ist einer der Großen Toten und der schrecklichste Feind deines Vaters. Sag bloß nicht, dass er wieder lebt!«
    »Das weiß ich nicht.« Sabriel blickte hinunter auf die Katze, deren Körper ihr irgendwie verdreht erschien, wie in einem Aufruhr zwischen Beherrschung und Widerstand. »Warum kannst du mir nicht mehr sagen? Deine Bindung?«
    »Eine… Perversion der b… b… b… ja«, krächzte Mogget mühevoll. Obwohl seine grünen Augen vor Zorn über sein Gestammel Feuer zu speien schienen, brachte er nicht mehr hervor.
    »Ein Wirrwarr«, murmelte Sabriel nachdenklich. Es bestand wenig Zweifel, dass eine böse Macht gegen sie arbeitete, seit sie die Mauer überquert hatte – vielleicht schon zuvor, wenn es etwas mit dem Verschwinden ihres Vaters zu tun hatte.
    Sie blickte wieder durchs Teleskop, und es gab ihr ein wenig Hoffnung, dass mit dem allmählichen Schwinden des Lichts auch die Arbeit am Fluss langsamer würde, obwohl Sabriel zugleich Bedauern für die armen Menschen empfand, die von den Toten versklavt wurden. Wahrscheinlich würden viele erfrieren oder vor Erschöpfung sterben, um dann als geistlose Hände zurückgebracht zu werden. Nur jene, die durch den Wasserfall flohen, würden diesem Geschick entgehen. Wahrhaftig, das Alte Königreich war ein grauenvoller Ort, wenn nicht einmal der Tod der Sklaverei und Verzweiflung ein Ende setzte.
    »Gibt es noch einen anderen Weg hinaus?«, fragte sie und drehte das Teleskop um 180 Grad, um zum Nordufer zu spähen. Dorthin führten ebenfalls Trittsteine, und hoch oben an Land befand sich eine andere Pforte. Aber auch da scharten sich dunkle Gestalten auf dem Sims vor der Tür. Es waren vier oder fünf Schattenhände – zu viele, dass Sabriel sich allein durch sie hätte hindurchkämpfen können.
    »Offenbar gibt es keinen anderen Weg«, antwortete sie sich selbst grimmig. »Wie sieht es mit den Schutzmaßnahmen aus? Können die

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