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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Sendlinge kämpfen?«
    »Sie brauchen nicht zu kämpfen«, antwortete Mogget, »denn es gibt eine andere Verteidigung, auch wenn sie ein wenig eingeschränkt ist. Außerdem führt noch ein anderer Weg hinaus. Aber der wird dir wohl nicht gefallen.«
    Der Sendling neben ihr nickte und beschrieb etwas mit seinem Arm, das aussah, als würde eine Schlange durch Gras kriechen.
    »Was ist das?«, fragte Sabriel und unterdrückte das plötzliche Bedürfnis, in hysterisches Gelächter auszubrechen. »Der Schutz oder der Weg hinaus?«
    »Der Schutz«, antwortete Mogget. »Der Fluss. Durch einen Zauber kann er bis fast zur Höhe der Inselmauer anschwellen – viermal deine Größe über den Trittsteinen. Nichts kann eine solche Flut überwinden, nichts kann herein und nichts hinaus, bis die Flut in einigen Wochen zurückgeht.«
    »Wie komme ich dann hinaus?«, fragte Sabriel. »Ich kann nicht wochenlang warten.«
    »Eine deiner Ahnherrinnen hat ein Fluggerät erbaut. Sie nannte es Papiersegler. Du kannst damit über den Wasserfall fliegen.«
    »Oh«, murmelte Sabriel bedrückt.
    »Falls du den Fluss ansteigen lassen willst«, fuhr Mogget fort, als wäre ihm Sabriels plötzliches Schweigen nicht aufgefallen, »müssen wir sofort mit dem Ritual beginnen. Die Flut kommt vom Schmelzwasser, und das Gebirge liegt viele Meilen stromauf. Wenn wir das Wasser jetzt rufen, wird die Flut morgen zur Abenddämmerung hier sein.«

     

10
    Riesige Eisschollen krachten gegen die Holzbrücke aus Kisten voll Graberde, als rammten sie im Sturm verankerte Schiffe. Sie kündeten von der Ankunft des Hochwassers. Eis zerschellte, Holz zersplitterte. Es war wie ein Trommeln, das vor der gewaltigen Welle warnte, die den immer zahlreicher dahintreibenden Eisschollen folgte.
    Totenhände und lebende Sklaven eilten über die Sargbrücke zurück. Die schattenhaften Körper der Toten verloren beim Laufen ihre Form und wurden zu wulstigen Würmern aus schwarzem Crepe, die sich wanden und über Steine und Kisten glitten. Gnadenlos stießen sie die lebenden Sklaven zur Seite, um der Vernichtung zu entgehen, die brüllend den Fluss heruntertoste.
    Sabriel schaute vom Turm aus zu. Sie spürte, wie die Menschen starben, wie sie krampfhaft schluckten, als sie ihre letzten Atemzüge taten, weil sie statt Luft nun Wasser einsogen. Einige hatten sich absichtlich in den Fluss gestürzt, um einen echten Tod zu finden und nicht auf ewig dienen zu müssen. Die meisten wurden von den Toten über den Haufen gerannt oder gestoßen oder sie sprangen aus Angst vor ihnen zur Seite.
    Die Bugwelle der Flut folgte dem Eis dichtauf. Sie brüllte und tobte; es war ein weitaus wilderes, durchdringenderes Tosen als das tiefe Donnern des Wasserfalls. Sabriel hörte die Welle schon mehrere Sekunden, ehe sie um die letzte Flussbiegung brauste. Und plötzlich war sie da, eine gewaltige, senkrechte Woge mit Eisbrocken auf ihrem Kamm, die wie marmorne Zinnen aussahen und die den Unrat und die Trümmer von vierhundert Meilen verwüsteten Landes mit sich führte. Der Wasserwall sah gigantisch aus, viel höher als die Inselmauer, höher selbst als der Turm, in dem Sabriel erschrocken auf die Gewalten starrte, die sie ausgelöst hatte und die sie gestern, als sie den Charterspruch sagte, noch nicht für möglich gehalten hätte.
    Die Naturgewalten zu rufen war einfach gewesen. Mogget hatte Sabriel in den Keller gebracht und sie dann eine schmale Wendeltreppe hinuntergeführt, die immer kälter wurde, je tiefer sie kamen. Schließlich hatten sie eine seltsame Grotte voller Eiszapfen erreicht, wo der Atem einem als weißer Dampf aus Mund und Nase drang. Doch hier war es nicht mehr kalt – oder Sabriel war bereits so taub geworden, dass sie gar nichts mehr spürte. Ein Block aus reinem, blauweißem Eis stand auf einem Steinpodest. Beides war mit eigenartigen, wunderschönen Chartersymbolen durchzogen. Auf Moggets Aufforderung legte Sabriel eine Hand auf den Eisblock und sagte: »Abhorsen erweist den Clayr ihre Hochachtung und ersucht um die Gabe des Wassers.« Das war alles gewesen. Sie waren die Treppe wieder hinaufgestiegen. Ein Sendling hatte die Kellertür hinter ihnen verschlossen und ein anderer hatte Sabriel ein Nachthemd und eine Tasse heiße Schokolade gebracht.
    Doch diese einfache Beschwörung hatte etwas gerufen, das völlig außer Kontrolle zu sein schien. Sabriel versuchte sich zu beruhigen, doch ihr Atem ging keuchend und der Magen drehte sich ihr um. Als die Welle aufschlug,

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