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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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dort sind, sollten wir da nicht…«
    »Wir steigen hinunter und beschaffen uns ein Boot«, bestimmte Sabriel. »Solange die Sonne hoch am Himmel steht.«

     

16
    Es gab einen Dammweg durch die überschwemmten Felder, der sich jedoch an manchen Stellen knietief unter Wasser befand. Nur die erhöht angelegten Rohrleitungen des Entwässerungssystems ragten weit übers Brackwasser. Leider führten diese alle ostwärts, nicht zum Dorf, so dass Sabriel und Touchstone sich gezwungen sahen, den überschwemmten Weg entlangzuwaten. Mogget hatte sich um Sabriels Hals geschmiegt und hing dort wie ein weißer Fuchspelz.
    Wegen des Wassers, des Schlicks und des unsicheren Weges kamen sie nur langsam voran. Sie brauchten eine gute Stunde für nicht einmal eine Meile; deshalb war es viel später am Nachmittag, als es Sabriel lieb war, als sie endlich aus dem Wasser kamen und beginnen konnten, den Felsen hinaufzusteigen. Wenigstens ist der Himmel klar, dachte Sabriel bei einem kurzen Blick nach oben. Die Wintersonne war weder sonderlich warm noch allzu hell, doch sie würde die meisten von der Sippschaft der Geringeren Toten davon abhalten, sich ins Freie zu begeben.
    Trotzdem schritten die Gefährten vorsichtig hinauf zur Ortschaft, stets bereit, Schwert oder Degen zu ziehen; Sabriel hatte eine Hand um ihr Glockenbandelier gelegt. Der Pfad verlief in einer Reihe von Stufen, die in den Felsen gehauen und da und dort mit Ziegeln und Mörtel verstärkt waren. Das Dorf, an die dreißig Ziegelhäuser mit hölzernen Schindeldächern, nistete auf der Felskuppe. Einige Häuser waren bunt getüncht, andere grau und verwittert.
    Von vereinzelten Windstößen und dem Kreischen einer herabstoßenden Möwe abgesehen, war es völlig still. Sabriel und Touchstone gingen nun dichter beieinander, fast Schulter an Schulter, über die Straße, die mitten durch die Ortschaft führte. Beide hielten ihre Waffen in den Händen und achteten auf die geschlossenen Türen und die mit Läden gesicherten Fenster. Beide waren nervös und unsicher – ein bedrohliches Kribbeln zog ihnen vom Rückgrat hinauf zum Nacken und von dort zum Chartersymbol auf der Stirn. Sabriel spürte auch die Anwesenheit von Toten Dingen – Geringere Tote, die sich vor dem Sonnenlicht verbargen und irgendwo in der Nähe in den Häusern oder Kellern lauerten.
    Am Ende der Straße, am höchsten Punkt des Hügels, stand ein Charterstein auf einem gepflegten Rasenstück. Die Hälfte des Steins war abgetrennt und die dunklen Trümmer lagen wirr im grünen Gras. Vor dem Stein war eine Leiche mit gefesselten Händen und angezogenen Füßen zu sehen. Der klaffende Hals verriet, woher das Blut stammte – das Blut für die Opferung, das den Stein zerschmettert hatte.
    Sabriel kniete sich neben den Toten, den Blick vom zerstörten Stein abgewandt. Er war erst vor kurzem geschändet worden, doch die Tür zum Tod öffnete sich bereits knarrend. Beinahe spürte sie die kalte Strömung dahinter, die unsichtbar um den Stein sickerte und die Wärme und das Leben aus der Luft sog. Sie wusste, dass auch dort, unmittelbar hinter der Grenze, Dinge lauerten. Sie spürte deren Gier nach Leben und die Ungeduld, mit der sie auf den Einbruch der Dunkelheit warteten.
    Wie es nicht anders sein konnte, war es die Leiche eines Chartermagiers, der höchstens drei bis vier Tage tot war. Doch dass es sich dabei um eine Frau handelte, hätte Sabriel nicht erwartet. Die breiten Schultern und die muskulöse Statur hatten sie getäuscht. Nun aber sah sie, dass eine Frau mittleren Alters mit erloschenen Augen, durchschnittener Kehle und von Meersalz und Blut verkrustetem, kurzem braunem Haar vor ihr lag.
    »Die Dorfheilerin.« Mogget deutete mit dem Schnäuzchen auf das Armband der Frau. Sabriel betrachtete es näher. Es war aus Bronze, mit eingelegten Chartersymbolen aus grünem Stein – toten Symbolen, denn Blut trocknete auf der Bronze, und der Pulsschlag, der die Symbole belebte, war verstummt.
    »Man hat sie vor drei oder vier Tagen getötet«, erklärte Sabriel nun laut. »Der Stein wurde zur gleichen Zeit gespalten.«
    Touchstone blickte sie an und nickte grimmig; dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder den gegenüberliegenden Häusern zu. Die Degen hingen lose in seinen Händen, doch Sabriel bemerkte, dass sein ganzer Körper angespannt war wie ein Springteufel, der noch in seiner Schachtel steckt.
    »Wer oder was immer sie getötet und den Stein gebrochen hat, hat ihren Geist nicht versklavt«, fügte

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