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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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heimgesucht?
    »Oh, darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht«, gestand Touchstone. »Zu meiner Zeit gab es einen Königlichen Absperrungsmeister mit einem Trupp Wächter und mehreren kleinen Schutzschiffen. Wenn in der Stadt jedoch Chaos und Gesetzlosigkeit regieren, wie Mogget sagt…«
    »… könnte es Leute geben, die für die Toten arbeiten – oder mit ihnen«, fügte Sabriel nachdenklich hinzu. »Also könnte es auf jeden Fall Schwierigkeiten geben, selbst wenn wir die Meerenge bei Tageslicht durchqueren. Ich glaube, ich sollte meinen Waffenrock wenden und meinen Helmschutz verbergen.«
    »Was ist mit den Glocken?«, fragte Touchstone und drückte sich an ihr vorbei, um die Großschot enger zu ziehen und die Pinne mit der Rechten ein wenig zu verlagern, damit sie den Wind nutzen konnten. »Ehrlich gesagt sind sie ziemlich auffällig.«
    »Ich werde nur wie ein Nekromant aussehen«, erwiderte Sabriel. »Ein salzverkrusteter, ungewaschener Nekromant.«
    »Ich weiß nicht recht«, murmelte Touchstone, der nicht erkannte, dass Sabriel es gar nicht ernst meinte. »Ein Nekromant würde gar nicht in die Stadt gelassen werden oder am Leben bleiben, wenn…«
    »So war es zu deiner Zeit«, unterbrach Mogget ihn von seinem Lieblingsplatz am Bug. »Jetzt ist es anders. Ich bin sicher, dass Nekromanten und Schlimmeres kein ungewohnter Anblick in Belisaere sind.«
    »Ich werde einen Umhang tragen…«, begann Sabriel.
    »Wenn du meinst«, sagte Touchstone. Offensichtlich glaubte er der Katze nicht. Belisaere war die Königliche Kapitale, eine riesige Stadt mit wenigstens fünfzigtausend Einwohnern. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie gefallen und verfallen war und sich in der Hand von Toten befand. Trotz seiner heimlichen Ängste und seines geheimen Wissens war er überzeugt, dass das Belisaere, dem sie sich näherten, kaum anders war als in den zweihundert Jahre alten Bildern in seinem Gedächtnis.
    Doch Touchstone musste sich eines Besseren belehren lassen, als die Türme vom Belis-Schlund an der blauen Linie des Horizonts auf den gegenüberliegenden Seiten der Meerenge auftauchten. Zuerst waren sie nur dunkle Flecken, die jedoch rasch wuchsen, je näher Wind und Wellen das Boot ans Ufer trugen. Durch das Fernrohr konnte Sabriel erkennen, dass sie aus einem rosafarbenen Stein erbaut waren und früher einmal wunderschön ausgesehen haben mussten. Jetzt aber waren sie zu einem großen Teil von Feuer geschwärzt und ließen nicht mehr viel von ihrer einstigen majestätischen Schönheit ahnen. Wendelsteven hatte die oberen drei von sieben Stockwerken verloren; Spierenspitze stand noch in seiner vollen Höhe, doch die Sonne schien durch klaffende Löcher und zeigte das ausgebrannte Innere. Von den Wachen und den Zollbeamten, selbst von den Maultieren, die früher das Hebewerk betrieben hatten, war nichts zu sehen. Es schien dort überhaupt kein Leben mehr zu geben.
    Die mächtige Sperrkette erstreckte sich noch immer über die Meerenge. Gewaltige grünliche Eisenglieder, jedes so breit und lang wie das Fischerboot, hoben sich, dicht mit Entenmuscheln bewachsen, bis zu den beiden Türmen aus dem Wasser. Hin und wieder, wenn eine Woge das Wasser senkte, war die Kette mitten in der Meerenge zu sehen. Dann glänzte ein Teil davon schleimig und grün im Wellental, wie ein lauerndes Ungeheuer aus der Tiefe.
    »Wir müssen uns dicht an Wendelsteven halten, den Mast kippen und unter der Kette durchrudern, dort, wo sie aus dem Wasser kommt«, erklärte Touchstone, nachdem er die Kette ein paar Minuten durchs Fernrohr betrachtet hatte, um festzustellen, ob sie an irgendeiner Stelle tief genug gesunken war, dass man sie überqueren konnte. Doch selbst mit ihrem fast kiellosen Boot wäre es zu riskant gewesen, und sie durften nicht warten, bis am Spätnachmittag die Flut einsetzte. Irgendwann einmal, vielleicht als die Türme verlassen wurden, war die Kette so straff wie nur möglich gespannt worden. Die Meister, die sie entworfen hatten, konnten stolz auf ihr Werk sein, denn die Kette spannte sich offenbar noch immer so straff wie damals.
    »Mogget, geh an den Bug und achte auf alles, was im Wasser ist. Sabriel – könntet Ihr die Küste und die Türme im Auge behalten, damit wir nicht überrascht werden?«
    Sabriel nickte. Sie war erfreut, dass Touchstones Aufgabe als Kapitän ihres kleinen Bootes viel dazu beigetragen hatte, ihm die unterwürfige Haltung zu nehmen. Mogget sprang widerspruchslos auf den Bug, trotz

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