Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
Vom Netzwerk:
des gischtenden Wassers, das hin und wieder über seinen Kopf sprühte, wenn sie sich schräg durch eine Woge bewegten, auf das Dreieck zwischen Küste, See und Kette zu.
    Sie näherten sich der Kette, so weit sie nur konnten, bevor sie den Mast kippten. Die Dünung hatte nachgelassen, denn der Belis-Schlund war durch die beiden Landstreifen gut geschützt, doch die Gezeiten hatten gewechselt, und ein Tidenhub begann vom Ozean zur See von Saere zu fließen. So wurden sie sogar ohne Mast und Segel mit relativ hoher Geschwindigkeit zur Kette getragen. Touchstone ruderte mit aller Kraft, um die Richtung beizubehalten. Als dies schon nach Sekunden unmöglich wurde, griff Sabriel nach einem der Ruder, und sie paddelten gemeinsam, während Mogget die Richtung angab.
    Alle paar Sekunden, am Ende eines jeden Schlages, wenn ihr Rücken fast in gleicher Höhe mit der Ducht war, warf Sabriel einen raschen Blick über die Schulter. Sie näherten sich der Enge zwischen der hohen, zerfallenden Mauer von Wendelsteven und der gewaltigen Kette, die sich unter der Gischt aus dem Seegang hob. Sie konnte das melancholische Ächzen der Kettenglieder vernehmen, das sich anhörte, als würde ein Chor von Walrossen ein Klagelied anstimmen. Selbst die gigantische Kette bewegte sich nach der Laune des Meeres.
    »Ein wenig nach Backbord!«, jaulte Mogget. Touchstone zog sein Ruder etwas zurück, als die Katze auch schon fauchte: »Ruder einziehen und ducken!«
    Die Ruder krachten ins Boot. Sabriel und Touchstone legten sich auf den Rücken, Mogget zwischen sich. Das Boot schaukelte und schoss vorwärts. Die Kette knarrte erschreckend dicht über ihnen. Sabriel sah gerade noch den klaren, blauen Himmel über sich – und dann nichts als grünes, algenbedecktes Eisen. Als die Dünung das Boot hob, hätte sie die gewaltige Kette vom Belis-Schlund mühelos berühren können.
    Dann waren sie darunter hindurch, und Touchstone schob sein Ruder bereits wieder ins Wasser, während Mogget zum Bug zurückkehrte. Sabriel wäre am liebsten liegen geblieben, um zum Himmel zu blicken, doch die riesige Mauer von Wendelsteven befand sich nur noch einen Ruderschlag entfernt. Sie setzte sich auf und besann sich seufzend ihrer Pflichten.
    In der See von Saere wechselte das Wasser die Farbe. Sabriel tauchte die Hand hinein und bewunderte das klare Türkis. Trotz der Farbe war es unglaublich transparent. Es war sehr tief hier, doch sie konnte mindestens drei bis vier Faden hinunterblicken und sah, wie kleinere Fische sich im Kielwasser des Bootes tummelten.
    Einen Augenblick lang fühlte sie sich zum ersten Mal seit Tagen entspannt und sorgenfrei. Die Widrigkeiten, die hinter ihr lagen, und die Schwierigkeiten, die ihrer noch harrten, gingen in der besänftigenden Betrachtung des klaren, blaugrünen Wassers unter. Hier gab es keine Toten, keine Erinnerung an die vielen Türen zum Tod. Sogar Chartermagie verlor sich in diesen Tiefen. Ein paar Minuten lang vergaß sie sogar Touchstone und Mogget, ja, selbst ihren Vater. Es gab für sie nur noch die Farbe der See und die Kühle des Wassers.
    »Bald können wir die Stadt sehen«, riss Touchstone sie in die Gegenwart zurück. »Falls die Türme noch stehen.«
    Sabriel nickte nachdenklich und nahm widerstrebend die Hand aus dem Wasser, als müsse sie sich von einem lieben Freund trennen.
    »Es muss schwer für dich sein«, sagte sie fast wie zu sich selbst und erwartete gar keine Antwort von ihm. »Zweihundert Jahre sind vergangen, und das Königreich ist langsam zerfallen, während du geschlafen hast.«
    »Ich habe es nicht wirklich geglaubt, bis ich Nestowe und die Türme vom Belis-Schlund gesehen habe«, erwiderte Touchstone. »Jetzt habe ich Angst um die große Stadt, von der ich nie geglaubt hätte, dass sie sich je verändern könnte.«
    »Keine Fantasie«, rügte Mogget ihn streng. »Keine Voraussicht. Eine Charakterschwäche. Eine fatale Charakterschwäche!«
    »Mogget!«, sagte Sabriel verärgert, weil die Katze wieder ein mögliches Gespräch im Keim erstickt hatte. »Warum bist du so grob zu Touchstone?«
    Mogget zischte und das Fell auf seinem Rücken stellte sich auf.
    »Ich bin ehrlich, nicht grob!«, fauchte er und wandte ihnen verächtlich den Rücken zu. »Und er verdient es!«
    »Ich habe genug von diesen Anspielungen!«, sagte Sabriel heftig. »Touchstone, was weiß Mogget, das ich nicht weiß?«
    Touchstone schwieg. Die Knöchel seiner Finger, die um die Ruderpinne lagen, hoben sich weiß ab. Er

Weitere Kostenlose Bücher