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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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unterwegs.«
    »Verständlich«, erwiderte der Kommandant des Patrouillenschiffes und nickte Lirael über die vierzig Fuß Wasser zu, die die Schiffe voneinander trennten. »Zweifellos braut sich irgendetwas zusammen. Bleibt den Ufern fern, denn Tote Kreaturen gehen um! Genau wie in den Tagen vor der Rückkehr des Königs.«
    »Ich werde vorsichtig sein«, rief Lirael zurück. »Danke für die Warnung, Kommandant. Darf ich die Fahrt jetzt fortsetzen?«
    »Ja, passiert«, antwortete der Mann mit einer Handbewegung. Daraufhin tauchten die Ruder wieder ein, und die Männer auf den Bänken krümmten die Rücken. Die Steuerfrau drehte die Pinne, und das Wachschiff glitt durch die Strömung.
    Lirael sah etwas Metallisches unter dem Wasser glitzern, als die Galeere weiterruderte, und erkannte mit Schrecken, dass es eine lange Stahlramme war: Das Wachschiff konnte jedes Wasserfahrzeug versenken, falls es der Aufforderung nicht nachkam, sich zu erkennen zu geben.
    Beim Vorbeifahren starrte einer der Männer Lirael mit seltsamen Blicken an, und sie sah, wie seine Hand sich verstohlen zur Bogensehne bewegte. Lirael hatte flüchtig den metallischen Geruch von Freier Magie in der Nase und bemerkte, dass die Hündin mit aufgestelltem Fell ebenfalls auf den Mann blickte.
    Doch einen Moment später drehte der Fremde sich um, und die Galeere entfernte sich, angetrieben von gleichmäßigen Ruderschlägen.
    »Sind sie weg?«, erkundigte Sam sich nach einer Weile.
    »Ja«, antwortete Lirael. »Aber haltet Euch lieber noch versteckt. Sie sind noch in Sicht, und wir kommen gleich unter Hochbrück. Und da war etwas Merkwürdiges an einem der Wachsoldaten. Ich habe Freie Magie gerochen, als wäre er gar kein Mensch…«
    »Es kann nicht Freie Magie gewesen sein«, entgegnete Sam. »Die Strömung ist viel zu stark.«
    »Nicht alles, was aus Freier Magie besteht, schreckt vor fließendem Wasser zurück. Das haben wir auch bei den Toten erlebt«, schnurrte Mogget.
    »Der Kater hat Recht«, pflichtete die Hündin ihm bei. »Fließendes Wasser ist keine Schranke für jene der Dritten Art oder Wesen und Dinge, die Essenz der Neun in sich tragen. Ich habe irgendetwas auf dem Wachschiff gewittert, Prinz Sameth. Etwas, das zwar über das Aussehen eines Mannes verfügt, jedoch ein Geschöpf Freier Magie ist. Glücklicherweise hat es nicht gewagt, sich unter so vielen Menschen zu verraten. Aber wir müssen auf der Hut sein.«
    Sam kämpfte gegen die Versuchungen, die Decke wenigstens ein kleines bisschen zur Seite zu schieben. Es war schrecklich, sich im Dunkeln liegend einer möglichen Gefahr auszusetzen. Außerdem hatte er Hochbrück noch nie vom Wasser aus gesehen – ein Anblick, der zu den schönsten im ganzen Königreich zählte, wie viele Reisende berichteten.
    Auch Lirael war beeindruckt: Trotz der zunehmenden Strömung überließ sie es
Finderin,
das Schiff zu steuern, während sie sich staunend umschaute. Hochbrück war ursprünglich eine gewaltige natürliche Brücke aus Fels gewesen, vierhundertvierzig Fuß über dem Ratterlin. Im Lauf der Jahrhunderte war die Schönheit der Brücke durch Bauten noch erhöht worden. Als Erstes wurde eine Burg errichtet; denn das tiefe, fließende Wasser bot hervorragenden Schutz gegen jeden Feind, vor allem gegen die Toten Kreaturen, die gegen die Mauern von Hochbrück nicht ankamen.
    Die besondere Lage von Hochbrück hatte sich in der Zeit des Interregnums als besonders anziehend erwiesen. Damals waren die meisten Chartersteine gebrochen und jene Ortschaften zerstört worden, die diesen Steinen ihre Sicherheit verdankt hatten. Denn sobald die Steine fort waren, gab es für die Toten und deren Verbündete keine Barriere mehr.
    Innerhalb weniger Jahre war die Burg von Wohnhäusern, Gaststätten, Lagerhäusern, Windmühlen, Schmieden, Läden, Stallungen, Schenken und allen möglichen anderen Bauten umgeben. Die Brücke maß an der breitesten Stelle mehr als eine Meile, doch war sie nicht sehr lang. Der Schütze Aylward Schwarzhaar hatte mit seinem berühmten Pfeilschuss einmal von der Ost- bis zur Westklippe getroffen.
    Lirael betrachtete diese ungewöhnliche Metropole, als sie plötzlich den Ruf einer Frau hörte, der offenbar von der Galionsfigur des Schiffes kam. Gleichzeitig machte sich die Ruderpinne der
Finderin,
die Lirael gehalten hatte, selbstständig und scherte scharf nach links. Sofort schwang der Baum heftig herum, und das Schiff krängte nach rechts, so dass die Steuerbordseite fast im Fluss

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