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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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zuckten zusammen, als sie seinen Tod fühlten. Sie beobachteten die sich kreisförmig ausbreitenden Wellen, bis diese das Kielwasser der
Finderin
erreichten und verschwanden.
    »Was hast du getan?«, fragte Lirael die Hündin und legte behutsam ihren Bogen zur Seite. Sie hatte noch nie zuvor den Tod eines Menschen gesehen oder gespürt. Sie hatte nur an den Totenfeiern teilgenommen – in Szene gesetzte traditionelle Zeremonien, die jeden Gedanken an den Tod verdrängten.
    »Ich habe ihn schreiten lassen«, knurrte die Hündin. Sie setzte sich auf die Hinterbeine, und ihre Nackenhaare sträubten sich. »Er hätte dich getötet, Herrin!«
    Lirael nickte und drückte das magische Tier fest an sich. Sam jedoch beobachtete die Hündin wachsam. Ihr Heulen war Freie Magie in reinster Form gewesen, ohne auch nur die geringste Chartermagie. Die Hündin schien freundlich und Lirael zugetan zu sein, doch Sam wusste nun, wie gefährlich sie war. Außerdem erinnerte ihr Heulen ihn an irgendetwas – an eine Magie, auf die er irgendwann gestoßen war –, doch er konnte sich nicht erinnern, wann und wo.
    Bei Mogget wusste Sam, woran er war: Der Kater war eine Kreatur Freier Magie, die gebannt und ungefährlich war, solange sie das Halsband trug. Die Hündin dagegen erschien ihm als eine Mischung beider Arten von Magie und als Wesen mit freiem Willen. Von so etwas hatte Sam noch nie gehört. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, seine Mutter wäre hier. Sie würde über die Hündin Bescheid wissen.
    »Wir sollten lieber wieder die Plätze tauschen«, drängte Lirael. »Da ist ein weiteres Wachschiff voraus.«
    Sam warf sich rasch auf die Seite gegenüber der Hündin, die ihn anblickte, als würde sie grinsen, wobei sie sehr scharfe, sehr weiße und sehr große Zähne zeigte. Sam zwang sich, das Lächeln zu erwidern, denn er hatte den Rat nicht vergessen, den man ihm als Junge gegeben hatte: Zeig einem Hund nie, dass du Angst vor ihm hast.
    »Puh! Hier ist eine Menge Wasser«, beschwerte er sich, als er sich mit einem glucksenden Geräusch niederlegte und die nasse Decke heranzog. »Ich hätte es im Tunnel ausschöpfen sollen.«
    Er war gerade dabei, sich die Decke übers Gesicht zu ziehen, als er Mogget sah, der sich am Bug immer noch sonnte und putzte.
    »Mogget!«, befahl er. »Du musst dich auch verstecken!«
    Mogget blickte auf das Wasser, das über Sams Beine spülte, und streckte seine kleine rosige Zunge aus.
    »Zu nass für mich«, entgegnete er. »Außerdem wird uns das Wachschiff nach der lautstarken Darbietung dieser hündischen Angeberin bestimmt anhalten. Du kannst dich also genauso gut gleich wieder hinsetzen.«
    Sam stöhnte und richtete sich triefend auf. »Das hättest du mir auch sagen können, bevor ich mich hingelegt habe!«, beklagte er sich, griff nach einem Becher und machte sich daran, das Wasser auszuschöpfen.
    »Es wäre das Beste, wenn wir vorbeikämen, ohne angehalten zu werden«, knurrte die Hündin und schnüffelte. »An Bord des Wachschiffs könnten weitere Feinde versteckt sein.«
    »Voraus ist mehr Platz zum Manövrieren«, warf Lirael ein. »Aber ich weiß nicht, ob es reicht, dem Wachschiff zu entgehen.«
    Die Ostseite war der Haupthafen für Hochbrück. Zwölf Piers unterschiedlicher Länge ragten in den Fluss. An den meisten hatten Handelsschiffe angelegt, deren Masten einen Wald kahler Baumstämme bildeten. Hinter den Piers war ein Kai in den Fels der Schlucht gehauen, ein langer Damm voller Waren, die darauf warteten, auf Schiffe verladen oder in die Stadt gebracht zu werden. Hinter dem Kai führten mehrere steile Treppen den Fels hinauf zur Stadt. Dazwischen wurden mit Derrickkabeln eine Unzahl von Kisten, Fässern und Ballen hinauftransportiert.
    Die Westseite des Flusses jedoch war offen, abgesehen von ein paar Handelsschiffen flussabwärts – und dem einen Wachschiff, das bereits seine Vertäuung löste. An diesem Schiff mussten sie noch vorbei, dann gab es nichts mehr, was sie aufhalten würde.
    »Sie haben mindestens zwanzig Schützen an Bord«, gab Sam zu bedenken.
    »Nun, es hängt davon ab, wie viele – falls überhaupt – Agenten des Feindes sind«, sagte Lirael, während sie das Segel trimmte, um noch schneller zu werden. »Wenn es echte Gardisten sind, werden sie nicht auf einen königlichen Prinzen und eine Tochter der Clayr schießen, oder?«
    »Einen Versuch ist es wert«, entgegnete Sam, dem kein besserer Plan einfiel. Falls es echte Gardisten waren, würde er

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