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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Rascheln von Seiten waren zu hören, ohne dass eine Explosion erfolgte, ein vernichtendes Feuer ausbrach oder sonst etwas Schreckliches geschah.
    Sam stieß den Atem aus, schloss die Augen und zwang sich zu schlafen. In ein paar Tagen würde er im Abhorsen-Haus in Sicherheit sein. Er konnte dort bleiben, während Lirael allein weiterreiste.
    Doch sein Gewissen meldete sich, während er einschlief: Nicholas ist
dein
Freund, sprach es zu ihm. Es ist
deine
Aufgabe, die Nekromanten zu vernichten. Und es sind
deine
Eltern, die von dir erwarten, dass du dich dem Feind stellst.

     

39
    HOCHBRÜCK
     
    Sam fühlte sich am nächsten Morgen viel wohler, zumindest körperlich. Der Zustand seines Beines hatte sich dank Liraels Heilmagie sehr gebessert. Doch der Gedanke an seine Pflichten machte ihm noch immer sehr zu schaffen.
    Im Unterschied zu Sam war Lirael zwar körperlich erschöpft, innerlich dagegen angeregt. Sie hatte die ganze Nacht damit verbracht, das
Buch der Toten
zu lesen, und war gerade mit der letzten Seite fertig, als die Sonne aufging und mit ihren wärmenden Strahlen rasch die letzte Kälte vertrieb.
    Vieles war Lirael bereits wieder entfallen, obwohl sie jede Seite des Buches eingehend studiert hatte. Gänzlich verstand sie es ohnehin nicht. Wahrscheinlich musste sie es noch oft lesen, um es zu begreifen. In mancher Hinsicht spürte das Buch Liraels mangelndes Wissen und teilte ihr nur grundlegende Dinge mit, die sie jetzt schon verstehen konnte. Außerdem hatte das Buch mehr Fragen über den Tod und die Toten aufgeworfen, als es beantwortete.
    Nur die letzte Seite war ihr gänzlich haften geblieben, auf der die Worte standen:
     
    Wählt der Schreitende den Pfad
    oder der Pfad den Schreitenden?
    Lirael dachte über diese Frage nach, als sie sich im Fluss das Gesicht wusch, auch um von dem kalten Wasser richtig wach zu werden. Sie grübelte immer noch darüber, als sie ihr Kopftuch band und ihr Wams zurechtzupfte. Es fiel ihr schwer, sich von den Glocken und dem
Buch der Toten
zu trennen, aber schließlich steckte sie beides in die Satteltaschen zurück, während Sam sich ein Stück weiter flussabwärts wusch, hinter dem kargen Laubwerk der Insel.
    Sie redeten nicht, während sie ihre Sachen an Bord luden; sie sprachen kein Wort über das Buch, die Glocken oder Sams Geständnis in der vergangenen Nacht. Als Lirael das Segel setzte und das Schiff ins tiefere Wasser steuerte, war der einzige Laut das Rauschen des Ratterlins unter dem Kiel. Alle schienen sich einig zu sein, dass es für eine Unterhaltung noch zu früh war. Mogget war nicht einmal aufgewacht und musste von Sam an Bord getragen werden.
    Erst nach mehreren Meilen auf dem Fluss bot Lirael den anderen ihren tellergroßen Zimtkuchen an, nachdem sie diesen in Stücke geteilt hatte. Die Hündin schlang ihr Stück mit einem Bissen herunter; Sam dagegen blickte misstrauisch auf den Kuchen.
    »Soll ich mir daran die Zähne ausbeißen, oder soll ich es lutschen?«, fragte er und lächelte dabei. Offenbar fühlt er sich wohler, dachte Lirael. Das ist schon viel besser als sein Selbstmitleid vergangene Nacht.
    »Ich nehm’s dir gerne ab«, schlug die Hündin vor, ohne den Blick von der Hand zu nehmen, die den Kuchen hielt.
    »Das könnte dir so passen.« Sam nahm einen Bissen und versuchte zu kauen. Dann hielt er der Hündin das Stück hin und sagte mit vollem Mund: »Aber ich gebe es dir, wenn du mich dein Halsband näher ansehen lässt.«
    Noch ehe er ausgesprochen hatte, sprang die Hündin herbei, verschlang das Stück Kuchen und legte das Kinn auf Sams Oberschenkel, damit das Halsband gut zu sehen war.
    »Warum wollt Ihr Euch das Halsband der Hündin anschauen?«, fragte Lirael.
    »Es hat Charterzeichen, wie ich sie noch nie gesehen habe.«
    Sam streckte den Arm aus, um das Halsband zu berühren. Es sah aus wie Leder, auf das die Charterzeichen aufgesetzt waren. Doch als seine Finger die Oberfläche berührten, erkannte er, das
alles
nur aus Charterzeichen bestand – ein gewaltiges Meer aus Zeichen, das sich ins Unendliche erstreckte. Er hatte das Gefühl, er könne die ganze Hand in das Halsband stecken oder sogar gänzlich hineintauchen. Und innerhalb dieses riesigen Meeres aus Magie befanden sich nur wenige Charterzeichen, die er kannte.
    Zögernd zog er die Hand zurück und kraulte die Hündin zwischen den Ohren. Rein äußerlich erschien sie wie ein ganz normaler Hund – genauso, wie Mogget wie eine ganz normale Katze erschien. Doch beide waren

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