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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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und sah Imshi mit einer Feder in der Hand vor einem ledergebundenen Hauptbuch stehen, das mit einem Kettchen am Schreibtisch vorn im Gewandzimmer befestigt war.
    »Die Nummer«, forderte Imshi sie auf, »auf der Klinge.«
    »Oh!«, sagte Lirael. Sie drehte die Klinge so, dass die Charterzeichen schwach genug wurden, um das bloße Metall und die auf normale Weise eingravierte Nummer sehen zu können.
    »L2713«, las Lirael laut vor; dann steckte sie den Dolch in die Scheide. Imshi trug die Nummer ein, tauchte die Feder wieder in die Tinte und reichte sie Lirael zum Unterschreiben.
    Dort, in dem Buch, zwischen den mit roter Tinte gezogenen Zeilen, standen Liraels Name, das Datum, ihre Stellung als Bibliotheksassistentin dritten Grades sowie eine von Imshi fein säuberlich erstellte Liste sämtlicher Dinge, die Lirael ausgehändigt bekommen hatte. Lirael studierte die Liste, unterschrieb jedoch nicht.
    »Hier ist ein Schlüssel aufgelistet«, gab sie zu bedenken und drehte die Feder vorsichtig um, damit sie keinen Klecks auf dem Papier machte.
    »Oh, der Schlüssel!«, rief Imshi. »Ich habe ihn eingetragen und dann ganz vergessen.«
    Sie ging zu einem der Schränkchen an der Wand, öffnete es und kramte darin. Schließlich zog sie ein breites, mit Smaragden besetztes silbernes Armband heraus, ähnlich dem, das sie trug. Sie öffnete es und legte es um Liraels rechtes Handgelenk.
    »Du musst zur Oberbibliothekarin gehen, damit sie den Zauber darin weckt«, erklärte sie und zeigte Lirael, dass zwei der sieben Smaragde ihres Armbands helle, belebte Charterzeichen aufwiesen. »Je nach Aufgaben und Position werden sie die erforderlichen Türen öffnen.«
    »Danke«, murmelte Lirael geistesabwesend. Sie konnte den Zauber im Silber spüren, die Charterzeichen tief im Metall, die nur darauf warteten, in die Smaragde zu fließen. Sie erkannte, dass es sieben Zauber waren, einer für jeden Smaragd. Aber sie wusste nicht, wie sie an die Oberfläche gerufen und wirksam gemacht werden konnten. Diese Art von Magie ging noch über ihre Kräfte.
    Auch zehn Minuten später war sie nicht viel klüger als zuvor, nachdem Vancelle ihr Handgelenk gehalten und rasch einen Zauber gewirkt hatte, ohne dabei zu sprechen oder zu gestikulieren. Was immer dieser Zauber sein mochte, er ließ nur einen Smaragd aufleuchten, während die sechs anderen unbelebt blieben. Das, erklärte Vancelle, öffne die üblichen Türen und genüge vorläufig für eine neue Bibliotheksassistentin dritten Grades.
    Lirael brauchte drei Monate, um herauszufinden, wie sie die nächsten vier Zauber in ihrem Armband wecken konnte. Weitere Geheimnisse vermochte sie jedoch nicht zu ergründen.
    Reine Neugier veranlasste sie, die Schlüsselzauber festzustellen. Ursprünglich wollte Lirael sie gar nicht wecken und betrachtete ihre Entdeckung als rein geistige Übung. Doch es gab so viele interessante Türen mit Haken, Riegeln, Schlössern, dass sie gar nicht anders konnte, als sich zu fragen, was sich wohl dahinter verbarg. Sobald die Zauber im Armband aktiv waren, fiel es ihr zunehmend schwerer, der Versuchung zu widerstehen, sie auch einzusetzen.
    Auch die tägliche Arbeit weckte mehr und mehr ihre Neugier. Zwar erledigten die Chartersendlinge einen großen Teil der Laufarbeit – beispielsweise brachten sie Material vom Hauptleseraum zu den damit beschäftigten Studenten und wieder zurück –, doch Überprüfungen, Eintragungen und Vergleiche wurden von Menschen gemacht, meist von Bibliothekarinnen dritten Grades. Es gab auch ganz spezielle oder gefährliche Dinge, die manchmal von regelrechten Trupps bewaffneter Bibliothekarinnen geholt werden mussten. Zu ihrem Bedauern durfte Lirael noch nicht an irgendwelchen dieser aufregenden Expeditionen in die Alten Etagen teilnehmen. Das würde ihr erst erlaubt sein, wenn sie sich das rote Wams einer Bibliotheksassistentin zweiten Grades erworben hatte, was üblicherweise erst nach einer mindestens dreijährigen Lehrzeit der Fall war.
    Doch im Zuge ihrer gewohnten Pflichten kam sie häufig an interessant aussehenden Fluren und Gängen vorbei, die mit einer roten Kordel abgesperrt waren, oder an Türen, die ihr zuzuwinken und zu sagen schienen: »Wie kannst du jeden Tag an mir vorbeigehen, ohne eintreten zu wollen?«
    Doch jeder auch nur annähernd interessante Raum war durch einen Schlüsselzauber versperrt, der Liraels Kräfte überstieg.
    Abgesehen von der für sie verbotenen Zone, die immer häufiger ihre Fantasie beschäftigte,

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