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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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erfüllte die Große Bibliothek die meisten Hoffnungen Liraels. Sie erhielt ein eigenes kleines Arbeitszimmer. Es war kaum breiter als ihre ausgestreckten Arme und enthielt bloß einen winzigen Schreibtisch, einen Stuhl und einige Regale. Aber es war eine Zuflucht für sie, ein Ort, an dem sie ungestört war und sicher vor Tante Kirriths unerwartetem Auftauchen. Lirael sollte dort in aller Ruhe die vorgeschriebenen Lehrbücher für ihren neuen Beruf studieren:
Vorschriften für die Bibliothekarinnen, Grundkenntnisse der Bibliografie
und
Das Große Gelbe Buch: Einfache Zauber für Bibliotheksassistentinnen dritten Grades.
Sie hatte nur einen Monat gebraucht, alles aus diesen Werken zu lernen, was sie wissen musste.
    Deshalb »lieh« sie sich jedes Buch aus, an das sie herankam, wie das
Schwarze Buch der Bibliomantik,
das eine sorglose Bibliothekarin offenbar nicht von der Ausleihliste gestrichen hatte. Und sie verbrachte viel Zeit damit, sich über die Zauber in ihrem Armband klar zu werden, wodurch sie allmählich den Weg durch die komplexe Kette von Charterzeichen zu den aktivierenden Symbolen fand.
    Anfangs war vor allem Neugier Liraels Antrieb gewesen – und die Befriedigung, wenn sie Magie hatte nutzen können, die eigentlich über ihre derzeitigen Kräfte hinausging. Doch irgendwann erkannte sie, wie sehr sie es genoss, Chartermagie um ihrer selbst willen zu lernen. Als es ihr gelang, Zeichen zu Zaubersprüchen zusammenzufügen, vergaß sie ihre Sorgen – und dass sie die Sicht noch immer nicht hatte.
    Während Lirael danach strebte, ein richtiger Chartermagier zu werden, fanden alle anderen Bibliothekarinnen oder ihre Kameradinnen aus der Halle der Kinder sich oft zu Gruppen zusammen, um gemeinsam etwas zu unternehmen.
    Die anderen Bibliothekarinnen – vor allem die Assistentinnen, von denen es ungefähr ein Dutzend gab – hatten anfangs versucht, nett zu ihr zu sein. Aber sie waren allesamt älter als Lirael und besaßen die Sicht. Nach Liraels Ansicht gab es nichts, worüber sie sich mit den anderen unterhalten oder was sie mit ihnen gemeinsam unternehmen konnte. So schwieg sie meist und blieb für sich allein. Nach einiger Zeit endeten die Aufforderungen der anderen, sich beim Essen zu ihnen zu setzen, am Nachmittag Tabor mit ihnen zu spielen oder am Abend bei einem Glas Süßwein über ihre Vorgesetzten zu klatschen.
    So war Lirael wieder allein unter vielen. Sie redete sich ein, dass es ihr so lieber war, doch insgeheim schmerzte es sie, wenn sie Gruppen junger Clayr sah, die sich lachend unterhalten und das freundschaftliche Beisammensein genießen konnten.
    Noch schlimmer war es, wenn ganze Gruppen zur Neuntagewache gerufen wurden, was während Liraels ersten paar Arbeitsmonaten immer häufiger vorkam. Lirael sammelte Bücher im Leseraum ein oder schrieb in eines der Register, wenn eine Botin der Wache mit den Elfenbeinstäbchen kam und sie jenen überreichte, die zum Observatorium befohlen wurden. Manchmal erhielten zwanzig und mehr der Clayr unter der riesigen Kuppel des Leseraums diese Aufforderung. Sie nahmen es lächelnd, zähneknirschend, gesichterschneidend oder äußerlich unbewegt hin, um dann ihre Stühle zurückzuschieben und ihre Bücher und Papiere in die Schreibtischladen zu sperren oder zu den Regalen und Sortiertischen zu bringen, ehe sie in Scharen durch die Türen verschwanden.
    Anfangs hatte Lirael sich gewundert, dass so viele Mädchen gerufen wurden. Noch mehr erstaunte es sie allerdings, als einige der Abberufenen schon Stunden oder nur zwei oder drei Tage später zurückkehrten statt erst nach den üblichen neun Tagen, denen die Wache ihren Namen verdankte. Zunächst hatte Lirael es für eine Eigenheit der Bibliothekarinnen gehalten, dass so viele gleichzeitig und nicht für die ganze Zeit gerufen wurden. Aber sie wollte niemanden danach fragen, und so dauerte es eine Weile, ehe sie eine Antwort erhielt, als sie zufällig hörte, wie zwei Assistentinnen zweiten Grades sich in der Buchbinderei unterhielten.
    »Es ist ja schön und gut, ›Achtundneunzig‹ zu haben. Aber gleich bis ›Hundertsechsundneunzig‹ zu gehen, und gestern gar bis ›Siebenhundertvierundachtzig‹, halte ich für abwegig. Wir haben zwar Platz im Observatorium, aber jetzt redet man von ›Fünfzehnachtundsechzig‹! Ich glaube, das sind fast alle. Und die Wache zu vergrößern, scheint sie auch nicht wirkungsvoller zu machen, als sie es mit den üblichen ›Neunundvierzig‹ war. Ich zumindest habe

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