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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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hundert Jahre hier gearbeitet und noch einmal halb so lange gelebt hatte.
    Lirael sah Filris nicht wieder. Sie weinte mit vielen anderen beim Abschied in der Halle. Sie vergaß ihre Abneigung gegen den neuen blauen Kittel und bemerkte kaum, dass sie einen Kopf größer als alle anderen Kinder und viele jener Clayr war, welche die Gabe der Sicht noch nicht lange hatten.
    Sie weinte um Filris, und sie weinte um sich selbst, weil sie wieder allein war. Es schien ihr Schicksal zu sein, keine Freunde zu haben. Nur zahllose Cousinen und eine Tante.
    Doch Lirael vergaß Filris’ Worte nicht und arbeitete bereits am nächsten Tag wieder, obwohl ihre Stimme immer noch schwach war und sie leicht hinkte. Binnen einer Woche gelang es ihr, sich Exemplare der Werke
Die Erschaffung von Sendungen
und
Hervorragende Sendlinge in siebzig Tagen
zu besorgen, da sie den Band
Die Erschaffung von magischen Wesen und ihre Beherrschung
nicht aus seinem verschlossenen Kasten herauszaubern konnte. Auch die Bestiarien erwiesen sich als zu schwierig für die Ausleihe; viele, die Lirael finden konnte, waren sogar an ihre Fächer gekettet. Sie blätterte darin, wenn niemand in der Nähe war, doch ohne großen Erfolg. Es war offensichtlich, dass sie zuerst genau herausfinden musste, um welche Art von Kreatur es sich bei dem Ungeheuer handelte.
    Wann immer sie konnte, schaute sie nach der Sonnentür, um festzustellen, ob ihre Magie sie noch band. Jedes Mal stieg Angst in ihr auf, und einmal glaubte sie sogar den beißenden Geschmack Freier Magie zu riechen, als stünde das Ungeheuer auf der anderen Seite der Tür, nur durch die dünne Barriere von Holz und Zauber von ihr getrennt.
    Dann erinnerte sie sich an Filris’ Worte und eilte zurück an ihren Arbeitsplatz, um an ihrem Hundesendling zu arbeiten oder in dem letzten Bestiarium nachzuschlagen, auf das sie gestoßen war, ob darin eine frauenähnliche Kreatur mit Augen wie silbernes Feuer und den Klauen einer Gottesanbeterin beschrieben wurde, eine Kreatur Freier Magie voll Bösartigkeit und unstillbarem Hunger.
    Manchmal erwachte Lirael mitten in der Nacht aus einem Albtraum, in dem die Tür sich geöffnet hatte. Sie hätte gern öfter nachgesehen, doch am Tag nach der Wache der Fünfzehnachtundsechzig hatte die Oberbibliothekarin bestimmt, dass alle Bibliothekarinnen sich nur zu zweit in die Alten Etagen begeben durften. Lirael kam zu Ohren, dass die Clayr sich offenbar Sorgen um eine unerklärliche Bedrohung ganz in der Nähe machten. Deshalb war es schwieriger für Lireal, sich dorthin zurückzustehlen.
    Die Bibliothek war nicht die einzige Abteilung, die Vorsichtsmaßnahmen ergriff: Zusätzliche Jäger patrouillierten am Gletscher und an den Brücken, und auch die Betreuer der Dampfrohre arbeiteten nur noch zu zweit. Überdies wurden viele innere Türen und Korridore geschlossen und zum ersten Mal seit der Restauration zugesperrt.
    Zweiundvierzig Mal in dreiundsiebzig Tagen überprüfte Lirael die Tür, die zu dem Raum mit den Blumen führte. Und dann stieß sie endlich auf ein Bestiarium, das über diese Kreatur berichtete. In diesen zehn Wochen der Besorgnis, des Studierens und der Planung hatte sie elf Bestiarien durchgesehen und den größten Teil der Vorbereitungen getroffen, die sie zur Erschaffung ihres Hundesendlings brauchte.
    Schließlich entdeckte sie ein Bild des Ungeheuers und den dazugehörenden Text. Lirael überlegte gerade, wie sie den nächsten Zauber wirken könnte, als ihre Hände ein kleines, rot gebundenes Buch öffneten, das den Titel
Kreaturen von Nagy
trug. Ohne große Erwartung blätterte sie die Seiten durch, als sie einen Kupferstich sah, der genau das zeigte, was sie suchte. Der Begleittext machte deutlich, dass Nagy – wer immer er gewesen war – auf die gleiche Art von Ungeheuer gestoßen war, die Lirael aus dem glasbedeckten Sarg befreit hatte:
    Es ist größer als ein großer Mensch und nimmt meist die Gestalt einer gut gebauten Frau an, wenngleich seine Form fließend ist. Es kommt häufig vor, dass der Stilken große Klauen oder Scheren an Stelle von Unterarmen hat, die er geschickt benutzt, um seine Beute zu ergreifen. Sein Mund wirkt meist wie der eines Menschen, bis er ihn öffnet und eine Doppelreihe spitzer, nadelgleicher Zähne zu sehen sind. Diese Zähne können wie glänzendes Silber oder schwarz wie die Nacht aussehen. Die Augen des Stilken sind silbern und brennen mit seltsamem Feuer.
    Lirael schauderte bei dieser Beschreibung so sehr, dass die

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