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Das alte Königreich 03 - Abhorsen

Titel: Das alte Königreich 03 - Abhorsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Klang Mosraels und Saraneths, oder durch eine direkte Anrufung mit ihren geheimen Namen.«
    »Dann war Hedge hier«, flüsterte Lirael. Sam zuckte bei dem Namen zusammen, und die Brandnarben an seinen Handgelenken wurden dunkler. Doch er blickte nicht auf die Narben und wandte sich nicht ab.
    »Schon möglich«, sagte die Hündin. »Jedenfalls nicht Chlorr. Einer der Größeren Toten würde andere Zeichen hinterlassen.«
    »Diese Opfer hier sind vor acht Tagen gestorben«, fuhr Lirael fort. Sie fragte sich nicht, woher sie es wusste. Nun, da sie die Leichen gesehen hatte, wusste sie es einfach. Es gehörte zu ihren Fähigkeiten als Abhorsen. »Ihre Geister sind noch frei. Dem
Buch der Toten
zufolge können sie nicht jenseits des Vierten Tores sein. Ich könnte ins Totenreich gehen und einen suchen…«
    Sie brach ab, als die Hündin und Sam den Kopf schüttelten.
    »Das halte ich für keine gute Idee«, meinte Sam. »Was kannst du schon erfahren? Wir wissen, dass Scharen von Toten und Nekromanten – und wer weiß, was sonst noch – in der Gegend unterwegs sind.«
    »Sam hat Recht«, sagte die Hündin. »Wir können nicht viel Brauchbares aus den Umständen ihres Todes erfahren. Und da Sam unsere Anwesenheit mit seiner Chartermagie bereits kundgetan hat, spricht nichts dagegen, mit einem reinigenden Feuer dafür zu sorgen, dass die Körper dieser armen Opfer niemandem mehr nützlich sein können. Aber wir sollten uns beeilen.«
    Lirael blickte im Sonnenlicht blinzelnd über das Feld, dort, wo der junge Mann lag, der einst Barra gewesen war. Sie erinnerte sich nun an den Namen. Sie hatte gehofft, Barra im Totenreich zu finden und seinem Geist zu sagen, dass das Mädchen, das er wahrscheinlich in all den Jahren längst vergessen hatte, sich nun wünschte, sie hätte mit ihm geredet oder ihn geküsst oder irgendetwas unternommen, statt sich nur voller Trauer an ihn zu erinnern. Aber selbst wenn sie Barra im Totenreich fand, wusste sie, dass er keinen Anteil mehr an der Welt der Lebenden nahm. Es war nicht um seinetwillen, dass sie seinen Geist suchen wollte, sondern ihres eigenen Schmerzes wegen, und diesen Luxus konnte sie sich nicht leisten.
    Alle drei beugten sich über die am nächsten liegende Leiche. Sam zeichnete das Charterzeichen für Feuer, die Fragwürdige Hündin bellte eines für die Läuterung, und Lirael zeichnete die Zeichen für Frieden und Schlaf und verband dann alle miteinander. Die Zeichen sanken auf die Brust des Mannes hinunter. Ein Funke sprang und entfachte goldene Flammen, die Sekunden später den ganzen Körper umspielten. Dann erlosch das Feuer und ließ nur Asche und Klumpen geschmolzenen Metalls zurück, die von der Gürtelschnalle und der Dolchklinge stammten.
    »Lebe wohl«, sagte Sam.
    »Wandere auf sicheren Wegen«, sagte Lirael.
    »Komm nicht zurück«, sagte die Hündin.
    Danach vollzogen sie das Ritual jeder für sich und bewegten sich so schnell sie konnten von Leiche zu Leiche. Anfangs war Sam überrascht, dann erleichtert, dass die Fragwürdige Hündin die Charterzeichen formen und den Ritus vollziehen konnte. Kein Nekromant und kein Wesen Freier Magie vermochte das, da der Ritus seiner Natur entsprechend ihren Kräften widerstand.
    Wenngleich alle drei den Ritus vollzogen, war es fast Mittag, als sie fertig waren. Auch ohne die unbekannte Zahl von Leichen, die der Ferenk in sein Schlammloch gezogen hatte, waren es achtunddreißig Männer und Frauen, die unter den Akazien gestorben waren. Jetzt waren sie nur noch Aschehaufen zwischen verwesenden Maultieren und den zurückkehrenden Raben, die sich missmutig krächzend über das verbliebene Aas hermachten.
    Lirael fiel es zuerst auf, dass einer der Raben nicht wirklich lebte. Er saß auf dem Kopf eines Maultieres und tat so, als pickte er daran, doch der Blick aus seinen schwarzen Augen ruhte auf Lirael. Sie hatte seine Anwesenheit bereits gespürt, bevor sie ihn sah, war aber nicht sicher gewesen, ob sie die vor acht Tagen eingetretenen Tode spürte oder die Gegenwart der anderen Toten. Doch als sie nun in seine Augen blickte, wusste sie es. Der Geist des Vogels war längst fort, und irgendetwas Hungriges und Böses wohnte jetzt in dem gefiederten Körper. Etwas, das einst menschlich gewesen war, sich aber verwandelt hatte im endlosen Tod, in den verlorenen Jahren vergeblicher Versuche, ins Leben zurückzukehren.
    Dieser Geist war keine Blutkrähe, auch wenn er einen Rabenkörper bewohnte. Dieser Geist war viel mächtiger als

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