Das alte Königreich 03 - Abhorsen
Feld.
»Was war das?«, fragte Lirael.
»Ein Zauber, um etwas zu binden«, erklärte Sam. »Aber was? Glaubst du, dass er gewirkt hat?«
»Nein«, sagte die Hündin, deren plötzliches Auftauchen die beiden erschrocken herumfahren ließ. »Aber es war hell genug, dass nun jede Tote Kreatur zwischen hier und dem Roten See weiß, wo wir sind.«
»Wenn es nicht gewirkt hat, wohin ist das Wesen dann verschwunden?«, fragte Sam und sah sich bei diesen Worten unruhig um. Lirael folgte seinem Beispiel. Sie konnte noch immer Freie Magie riechen, aber wieder nur ganz schwach, und es ließ sich unmöglich feststellen, wo der Geruch unter dem sich ausbreitenden Rauch seinen Ursprung hatte.
»Es ist wahrscheinlich unter unseren Füßen«, sagte die Hündin. Sie steckte die Nase plötzlich in ein kleines Loch und schnaubte. Dabei flog eine Staubfahne empor. Lirael und Sam sprangen zur Seite, drauf und dran, die Flucht zu ergreifen. Dann drehten sie sich langsam, Rücken an Rücken, bereit zum Kampf gegen das Monster aus der Tiefe.
5
Wind, wehe! Regen, komm herbei!
»Wo genau unter unseren Füßen?«, rief Sam. Er starrte suchend auf den Boden, das Schwert in der Faust, die beschwörende Hand ausgestreckt.
»Was können wir tun?«, fragte Lirael hastig. »Weißt du, was das war? Wie können wir es bekämpfen?«
Die Hündin schnüffelte am Boden.
»Wir brauchen nicht mehr zu kämpfen. Das war ein Ferenk, ein Aasfresser. Ferenks sind bloß prahlerische Kreaturen. Der hier liegt jetzt mehrere Ellen unter Erde und Gestein. Er wird sich vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr blicken lassen, wahrscheinlich nicht vor morgen Nacht.«
Sam traute den Worten der Hündin nicht recht und suchte den Boden ab, während Lirael sich zu ihr hinabbeugte.
»Ich habe noch nie etwas über Wesen Freier Magie gelesen, die Ferenks heißen«, sagte sie. »In keinem der Bücher, die ich studiert habe, um etwas über den Stilken herauszufinden.«
»Hier dürfte es eigentlich gar keine Ferenks geben«, sagte die Hündin. »Sie sind Elementarwesen, Geister des Steins und Schlamms, und sie wurden schon zu Stein und Schlamm, als die Charter entstand. Kann sein, dass ein paar übersehen wurden, aber nicht hier… nicht in einem so viel bereisten Gebiet…«
»Wenn das nur ein Aasfresser war, was hat dann diese armen Leute getötet?«, fragte Lirael. Sie hatte über die seltsamen Wunden nachgegrübelt, und ihr gefiel ganz und gar nicht, welche Schlussfolgerungen sich daraus ergaben. Die meisten Leichen waren zweimal durchbohrt worden, so wie der Krieger, und an den Rändern der Öffnungen waren Kleidung und Fleisch verbrannt.
»Mit Sicherheit ein Wesen Freier Magie, oder mehrere«, erwiderte die Hündin. »Aber kein Ferenk. Etwas Ähnliches wie ein Stilken, nehme ich an. Vielleicht ein Jerreq oder ein Hish. Es gab Tausende von Wesen Freier Magie, die vor der Erschaffung der Charter flohen. Die meisten wurden später gefangen oder gebunden und in Dienst genommen. Es gab ganze Rassen, aber auch Einzelwesen. Ich kann also nichts mit Sicherheit sagen. Die Sache wird noch komplizierter, weil innerhalb dieses Akazienrings vor langer Zeit eine Schmiede war. Im steinernen Amboss der Schmiede war ein Wesen gefangen, doch ich kann weder den Amboss noch andere Überreste finden. Wahrscheinlich hat die gefangene Kreatur diese Leute umgebracht, aber ich glaube nicht…«
Die Hündin hielt inne und schnüffelte wieder am Boden, lief im Kreis, schnappte geistesabwesend nach ihrem eigenen Schwanz und setzte sich dann, um das Ergebnis ihrer Überlegungen kundzutun.
»Es könnte ein Doppeljerreq gewesen sein, aber ich glaube eher, es waren zwei Hish. Was immer hier gewütet hat, es handelte im Auftrag eines Nekromanten.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Sam. Er hatte innegehalten, als die Hündin zu schnüffeln begann, doch er ließ den Boden noch immer nicht aus den Augen. Jetzt suchte er nach Hinweisen auf einen steinernen Amboss und auf einen ausfahrenden Ferenk. Doch er konnte nichts sehen, was auf einen Amboss hindeutete.
»Spuren und Zeichen«, erwiderte die Hündin. »Die Wunden, die Gerüche, der Abdruck eines Fußes mit drei Zehen in der weichen Erde, die Leiche am Baum, sieben von Dornen befreite Zweige… das alles verrät mir bis zu einem gewissen Grad, was hier geschehen ist. Und was den Nekromanten angeht – kein Jerreq oder Hish oder eine andere wirklich gefährliche Kreatur Freier Magie ist seit tausend Jahren erwacht, außer vom
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