Das Amulett der Macht
er irgendwie über Mareishs Grab und eignete sich das Amulett an – zu dem Zeitpunkt mag er vielleicht nicht einmal gewusst haben, was es war. Aber zwei Jahre später beherrschte er halb Nordafrika, und Millionen von Menschen zwischen Marokko und Abessinien glaubten, dass er wirklich der Erwartete sei. Seine Männer schworen, dass, so lange er das Amulett trug, Schwerter brachen, wenn sie ihn trafen, und Kugeln von ihm abprallten wie von einem Comic-Superhelden.«
»Es ist trotzdem ein Märchen«, sagte Lara.
»Warum glauben Sie das?«
»Sie haben mir gerade erzählt, dass Gordon ihn bei Omdurman schlug, und ich weiß, dass Gordon ihm während der Belagerung von Khartoum fast ein halbes Jahr lang Einhalt gebot. Wie sollte all das möglich gewesen sein, wenn das Amulett so mächtig ist, wie Sie sagen?«
»Weil Gordon oder einer seiner Offiziere herausfand, was es mit den Kräften des Amuletts auf sich hatte, und es unmittelbar vor der Schlacht von Omdurman stahl!«, sagte Mason mit triumphierender Miene.
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Lara. »Warum sollte ein moderner, gebildeter, kultivierter Engländer an das Amulett von Mareish glauben?«
»Weil Gordon ein ebensolcher religiöser Fanatiker war wie der Mahdi.«
»Sie gehörten unterschiedlichen Religionen an«, bemerkte Lara.
»Stimmt«, räumte er ein. »Aber sie glaubten beide gleichermaßen inständig an das Übersinnliche.«
Sie blickte ihn nachdenklich an. »Reden Sie weiter«, sagte sie dann.
»Gut«, sagte Mason. »Nach Omdurman rief der Mahdi eine sechzigtägige Unterbrechung seines Krieges gegen die Ungläubigen aus, während er allein in die Wüste hinauszog, um mit Allah zu sprechen und seinen nächsten Zug zu planen – und Gordon nutzte diese Zeit, um das Amulett zu verstecken.«
»Ich erinnere mich nicht, je gehört oder gelesen zu haben, dass Gordon nach Ägypten zurückkehrte, nachdem man ihn ausgeschickt hatte, um den Mahdi zu stoppen«, warf Lara ein.
»Das tat er auch nicht«, antwortete Mason. »Er sandte seinen vertrautesten Helfer, Colonel J.D.H. Stewart, nach Ägypten. Stewart verbrachte dort nur einen einzigen Tag, bevor er nach Khartoum zurückkehrte.«
»Woher wissen Sie das?«
»Er wurde von einem örtlichen Journalisten in Edfu gesehen, wie er den Horus-Tempel in Zivilkleidung betrat.«
»Wenn Sie das wissen, warum wusste es dann der Mahdi nicht – und wenn er es wusste, warum holte er sich das Amulett nicht zurück?«
»Der Reporter machte nicht publik, was er sah«, erklärte Mason. »Er war Brite, und da er nicht wusste, weshalb Stewart dort war, wollte er dessen Mission nicht gefährden, indem er darüber berichtete – aber vor ein paar Monaten tauchte sein Tagebuch auf, und darin beschrieb er den Vorfall ganz genau.«
»Das ist also der wahre Grund, weshalb Sie dort waren«, sagte Lara.
»Ja«, sagte Mason. »Und ich nahm an, dass Sie auch auf der Jagd danach seien.«
»Da haben Sie sich geirrt. Ich hatte mich um einen größeren Fisch zu kümmern.« Und einen finsteren Gott dingfest zu machen.
»Es gibt keinen größeren Fisch.« Er runzelte die Stirn. »Das Problem ist, dass sie uns das nie glauben werden.«
»Wer sind sie? «
»Fanatische Fundamentalisten.«
»Davon scheint es dieser Tage eine Menge zu geben«, merkte Lara mit düsterer Miene an.
»Keine wie diese«, sagte Mason. »Das sind Mahdisten – sie glauben fest an die Macht des Mahdis. Der Mahdi starb nur fünf Monate nach Gordon, und sie haben über hundert Jahre darauf gewartet, dass jemand seinen Mantel aufnimmt und sie in einen Dschihad gegen die Ungläubigen führt.«
»Im Laufe der Jahre müssten sie doch eine ganze Reihe von Anführern zur Auswahl gehabt haben«, meinte Lara.
Mason schüttelte den Kopf. »Sie wissen, dass der wahre Nachfolger des Mahdis das Amulett von Mareish besitzen muss – und die Mahdisten glauben an die Macht des Amuletts. Glauben ist ein beinahe zu schwacher Ausdruck. Sie verehren es wie einen Gott. Sie denken, wenn sie es nur in ihren Besitz bringen, dann wird es irgendwie einen neuen Mahdi herbeirufen, einen Unbesiegbaren, der die Welt läutern kann, indem er jeden Ungläubigen hinschlachtet.«
»Und diese Leute haben uns gejagt?«
Er nickte. »So ist es.«
»Nun dann sollten sie doch wissen, dass ich es nicht habe!
Ich bin offensichtlich nicht unverwundbar, richtig? Warum lassen sie uns also nicht in Ruhe?«
»Das ist nicht so einfach, Lara.«
»Irgendwie ist es das nie.«
»Die Mahdisten
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