Das Amulett der Macht
zwanzig…
Schieß!, dachte sie nervös. Wenn du danebentriffst, hast du noch Zeit für einen zweiten Versuch. Wenn du noch vier oder fünf Sekunden wartest, nicht mehr! Die Sekunden kamen ihr vor wie Stunden, und dann, endlich, ertönte ein einzelner Schuss – und die Hölle brach los.
Kamele kreischten vor Schmerz und Schrecken, Menschen schrien noch lauter, als Körper und Körperteile in alle Richtungen davon geschleudert wurden.
Ein Gewehr flog durch die Luft, direkt auf Laras Kopf zu. Sie duckte sich im letzten Moment und warf sich zu Boden, dann spürte sie, wie etwas Schweres auf ihrem linken Oberschenkel landete. Sie rollte sich rasch herum und sah, dass es der Kopf eines Kamels war, das die Augen noch offen hatte.
Sie kam auf die Beine und nahm das Blutbad in Augenschein. Vier Kamele waren tot, die anderen beiden lagen am Boden und zuckten schwach. Fünf Mahdisten waren fast augenblicklich getötet worden, der sechste kroch davon, sein weißes Gewand war blutdurchtränkt.
Ein weiterer Schuss krachte, und der Mahdist fiel aufs Gesicht und blieb reglos liegen.
Wunderbar, dachte sie verärgert. Du konntest ihn nicht lange genug am Leben lassen, um ihn zu befragen. Du musstest den Macho spielen, um mich zu beeindrucken.
Laras drei Gefährten kamen auf sie zu, die Gewehre schussbereit für den Fall, dass einer der Mahdisten sich nur tot stellte, aber das tat keiner. Gaafar ging zu den beiden sterbenden Kamelen hinüber und erlöste sie von ihren Schmerzen, indem er jedem eine Kugel in den Schädel jagte.
»Wer von euch hat den Schuss auf die Granaten abgegeben?«, fragte Lara.
»Das war Hassam«, sagte Omar. »Er ist der beste Schütze.«
»Ich war sehr nervös«, gab Hassam zu. »Das ist nicht wie Zielschießen oder Jagen. Wenn ich danebengeschossen hätte, wären Sie jetzt mit Sicherheit tot.«
»Das wären wir alle«, meinte Omar. »Lara Croft mag ihr Leben Hassams Treffsicherheit verdanken, aber wir vier verdanken unser Leben ihrem schnellen Denken.«
»Sie wirken unglücklich, Omar«, bemerkte Lara. »Sie haben gerade die Bösen ausgeschaltet. Was ist los?«
»Ich schäme mich.«
»Warum?«, fragte sie neugierig.
»Hassam ist ein besserer Schütze als ich. Gaafar ist stärker. Beide taugen viel besser für Abenteuer in der Wüste. Ich bin der Anführer, weil ich den einzigen Muskel trainiere, auf den es ankommt …« Er tippte sich gegen die Stirn. »… den zwischen meinen Ohren. Und doch, als der Angriff erfolgte, fiel mir nicht ein, was die einzige Möglichkeit war, den Sieg zu erringen.«
»Ich habe das Gefühl, dass Sie noch mehr Chancen bekommen werden, um Ihre Ehre wiederherzustellen«, sagte Lara.
»Ein Teil von mir hofft dies beinahe – damit ich meine Ehre tatsächlich wiederherstellen kann « , antwortete Omar.
Lara blickte auf die toten Männer und Kamele. »Sollen wir sie begraben?«
»Nein, das würde zu viel Zeit kosten.«
»Sie sind bereits bei Allah«, fügte Hassam hinzu.
»Ich meine nicht aus religiösen Gründen«, sagte Lara, »sondern um sie zu verstecken, damit niemand weiß, was hier passiert ist.«
»Wenn sie sich nicht zurückmelden, wird ihr Vorgesetzter wissen, dass sie tot sind«, sagte Omar. »Wir tun besser daran, so schnell wie möglich die Grenze zum Sudan zu erreichen. Hier haben wir keine Verbündeten, dort haben wir wenigstens ein paar. «
Sie zuckte die Achseln. »Wie Sie meinen. Lassen Sie mich nur eben auf Seattle Slew steigen, dann können wir los.«
»Was ist Seattle Slew?«, fragte Gaafar.
»Der Name eines sehr berühmten Rennpferds in Amerika«, sagte Omar. »Ich sah es einmal im Fernsehen.«
»Das ist ein arabisches Kamel«, sagte Hassam. »Es sollte einen arabischen Namen haben.«
»Ich kenne keine arabischen Rennpferde«, sagte Lara.
»Ich schon«, sagte Omar. »Da es keinen Namen hat, werden wir es nach einem unserer besten Rennpferde benennen – El Khobar.«
»El Khobar«, wiederholte sie anerkennend. »Der Schnellfüßige. Gefällt mir. Ich hoffe nur, es wird seinem Namen gerecht.« Sie schwieg kurz. »Veranstalten Sie eigentlich Kamelrennen?«
»Zum Vergnügen, ja. Aber es gibt keine Rennstrecken für Kamele. Das Pferd ist das Tier unserer Wahl.« Omar lächelte. »Leider ist die Wüste nicht der Lebensraum unserer Wahl. Die Sudanesen lieben Wasser, Bäume und mildes Klima, genau wie Sie. Aber um eine Redewendung zu gebrauchen, die ich in einem amerikanischen Film gehört habe: Wir müssen mit den Karten spielen, die uns
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