Das Amulett der Pilgerin - Roman
beim Waschtag die Eimer abgestellt wurden. Sie hatte immer noch keine gute Idee, als unter lautem Gepolter und dem metallenen Klingeln zahlreicher kleiner Glöckchen ein fahrender Händler auf den Hof gerumpelt kam. Der Mann auf dem Kutschbock erhob sich, holte tief Luft und schmetterte mit einer sonoren, durchdringenden Stimme: »Bänder, feine Seifen, Salben aus dem Morgenland! Alles, was das Herz einer Dame begehrt, gibt es hier, und noch dazu zu unglaublich günstigen Preisen!«
Viviana beobachtete mit offenem Mund, wie aus allen Ecken die Schwestern von Amesbury herbeigelaufen kamen, aufgeregt plaudernd und kichernd. Der Händler und sein Helfer, ein halbwüchsiger Knabe mit wenig Barthaaren, aber umso mehr Pickeln, hatten alle Hände voll zu tun, die Wünsche der Nonnen zu befriedigen. Gegen dieses Spektakel war der Markt in Yeovil eine Einöde. Das Gefährt des Mannes wurde von zwei Maultieren gezogen, die mit stoischer Ruhe zwischen dem Chaos vor sich hin dösten. Der Wagen selbst war ein kleines Häuschen auf Rädern, mit einer Tür und je einem Fenster auf beiden Seiten. Überall waren Haken befestigt, an denen die unterschiedlichsten Utensilien baumelten: Schöpflöffel neben Haarnetzen und getrockneten Kröten, einem angeblich unschlagbaren Mittel gegen Warzen. Es gab nichts, was der Mann nicht hatte, und nichts, was die Schwestern nicht brauchen konnten. Erst die Glocke zum Stundengebet der Sext machte dem Chaos ein Ende. Der Hof leerte sich, und der Händler stieg ab und kam zu Viviana herüber.
»Madame!« Er verbeugte sich, so weit es sein beträchtlicher Körperumfang zuließ. »Mein Name ist Bartholomeus Peddler. Was kann ich Ihnen denn Gutes tun?«
»Ich brauche nichts. Vielen Dank.«
»Sie brauchen nichts?« Der Händler machte ein Gesicht, als hätte sie ihn soeben zutiefst beleidigt.
»Ich habe außerdem kein Geld.« Viviana lächelte ihn versöhnlich an.
»Das ist nicht das Gleiche, wie nichts zu brauchen!«
»Das stimmt, es kommt aber aufs Gleiche hinaus.«
Bartholomeus Peddler zog ein großes Taschentuch aus seiner bunten Weste und tupfte sich die Stirn ab. Die Sonne stand hoch am Himmel.
»Darf ich mich setzen?«
»Natürlich.«
Der Knabe tränkte die Maultiere und sortierte die Waren zurück an die richtigen Haken und in die Beutel.
»Wo kommen Sie her?«
»Aus Salisbury.«
»Wie weit ist das von hier?«
»Vielleicht neun Meilen.«
»Oh, so nahe?«
»Ja, es ist nicht weit.« Er blickte Viviana neugierig an. »Sie kommen augenscheinlich nicht aus dieser Gegend.« Er taxierte ihr Kleid. »Eine der Schwestern sind Sie auch nicht.«
»Nein. Ich habe hier nur übernachtet.« Viviana hatte eine Idee. »Ich warte auf eine passende Reisegesellschaft, um weiterzukommen.«
»Sie reisen allein?« Der Tonfall des Händlers war der eines empörten Vaters.
»Ich war mit meinem Mann unterwegs, aber wir wurden während eines Gewitters getrennt.«
»Wo wollten Sie denn hin?«
»Nach Saint Albans.«
»Dann waren Sie sicher schon in Shaftesbury?«
»Wieso?«
Der Händler stutzte.
»Verzeihung, ich hatte angenommen, dass Sie auf einer Wallfahrt sind, dann hätten Sie ja sicher das Grab des Heiligen Edward in Shaftesbury besuchen wollen.«
»Natürlich.«
Er sah Viviana mit dem Blick eines Vaters an, der feststellte, dass seine Tochter etwas begriffsstutzig war.
»Hat Ihr Mann Ihnen denn nicht gesagt, was die nächste Etappe ist?«
Viviana schüttelte den Kopf und überließ ihm die Führung. Er schien ihr wohlgesinnt, und wenn er sie hier sicher wegbrächte, umso besser.
»Was war denn Ihre letzte Station?«
»Yeovil.«
»Dann wollte Ihr Mann sicher nach Shaftesbury. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich das Grab entgehen lassen würde.«
Es amüsierte Viviana, wie der Händler seine eigenen Schlussfolgerungen bestätigte, ohne von ihr die geringsten Informationen bekommen zu haben.
»Sie haben Glück, Madame!«, sagte er großartig und stand auf.
»Ja?«
»Ich bin auf dem Weg nach Shaftesbury und werde Sie persönlich bei Ihrem Mann abgeben!«
»Oh!«
»Jawohl!«
»Ich bin Ihnen so dankbar!«, flötete Viviana und klatschte etwas dümmlich in die Hände.
»Haben Sie ein Pferd?«
»Es steht im Stall, es ist ein Pony.«
»Der Junge wird es satteln.« Er hielt inne. »Sie sind doch aufbruchbereit?«
»Ja.«
»Gut, dann zeigen Sie dem Jungen Ihr Reittier, holen Ihre Sachen, und dann brechen wir auf. Ich will fort sein, ehe eine der Damen es sich während der
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