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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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sich Simeon Bauer nennen, aber seine Gattin wollte wohl lieber weiterhin zu einer Stellmacherwerkstatt gehören. Elender Emporkömmling.«
    Wieder einmal war Viviana beeindruckt, welch ein gehässiger und neidischer Kerl Melchor Thorn war. Aber immerhin hatte er ihr mit seiner Hasstirade erheblich weitergeholfen. Jetzt wusste sie wenigstens, wo sie nach Julians Freund Simeon suchen musste. Ein Plan hatte sich in Vivianas Kopf geformt. Sie würde versuchen, Simeon zu sprechen, Julian hatte ihn als absolut vertrauenswürdig beschrieben. Vielleicht konnte er es ermöglichen, dass die Kanzlei Melchor eine Falle stellte, um so zu beweisen, dass tatsächlich er die Liste hatte und nicht Julian. Innerlich schüttelte sie den Kopf über sich selbst. Sie sollte lieber das Pergament wieder an sich bringen und an ihre Auftraggeber zurückgeben. Dann hätte sie auf dem Festland auch keine Schwierigkeiten zu erwarten.
    »Wir werden die Stadtgrenze nicht mehr erreichen, ehe die Tore schließen, und ich habe keine Lust, aufzufallen. Also sollten wir in der Nähe eine Bleibe suchen.«
    »In Ordnung.«
    Sie wusste nicht, wie sie es vermeiden konnte, sein Lager zu teilen. Andererseits musste sie sicherstellen, dass das Pergament, was sie unter seiner Jacke ertastet hatte, tatsächlich die Liste war, sonst wäre alles umsonst. Viviana warf Melchor einen Seitenblick zu. Nein, er war wahrlich nicht sehr attraktiv, und er schien auch nicht viele Frauen gehabt zu haben. Seine Unsicherheit und sein Stolz ließen ihn keine Risiken mit Frauen eingehen. Wahrscheinlich ging er zu Huren, wenn überhaupt.
    Natürlich war es Melchor in den Sinn gekommen, dass Viviana ihm die Liste stehlen wollte. Eigentlich dachte er über nichts anderes nach als darüber, ob er ihr trauen könnte. Fand sie ihn wirklich attraktiv? Er hatte einmal gehört, dass besonders schöne Frauen, diejenigen, die jeden haben konnten, sich häufig für Männer mit anderen Fähigkeiten entschieden. Melchor war sich nicht sicher, ob seine Fähigkeiten als Liebhaber überdurchschnittlich waren. Bisher hatte er das nicht angenommen, aber er stellte seine Manneskraft selten unter Beweis. Was wollte sie wirklich von ihm? Er hatte sie in Saint Albans aus einer misslichen Lage befreit. Mithilfe des Kardinals hatte sie ihre Freiheit gegen die Liste getauscht, aber in Saint Albans angekommen, konnte sie das Pergament nicht liefern. Es hatte also die Gefahr bestanden, dass sie nun doch als feindliche Spionin festgenommen werden würde. Dank seiner Hilfe war sie dem Zugriff des Kardinals entkommen. Jetzt aber machte sie keinerlei Anstalten, auch ihm entkommen zu wollen. Es konnte nicht anders sein, als dass sie tief in die Verschwörung verstrickt war und in ihm einen neuen Verbündeten sah. Das war gut, denn er wollte tatsächlich bei dieser Rebellion dabei sein. Möglicherweise suchte sie, genau wie er, ihre Gelegenheit für den großen Durchbruch und sah in ihm den richtigen Mann. Wenn alles glattging, dann würde er mit seinem Wissen über Henrys Pläne sicherlich eine der wichtigen Figuren in dieser Verschwörung werden. Er blickte wieder zu Viviana hinüber. Sie zwinkerte ihm zu. Seine Lippen spannten sich zu einem Lächeln, endlich war er einmal an der Reihe, Glück zu haben.
    Als sie in den Hof einer Herberge ritten, hatte Viviana das Gefühl, inzwischen jeden Gasthof im Reich kennengelernt zu haben. Der Wirt bot Melchor ein Bett in dem Schlafsaal an, es gab nur drei einzelne Kammern, und die waren belegt.
    »Dann kehren wir woanders ein.« Melchor wandte sich zum Gehen.
    »Das wird schwierig werden, Herr, um diese Zeit noch eine einzelne Kammer zu finden.«
    Melchor zögerte. Er war es gewohnt, auf großem Fuß zu leben. Allerdings bezahlte er üblicherweise seine aufwändige Unterbringung nicht, da er nicht nur gute Beziehungen hatte, sondern auch keine Skrupel, Bestechungsgelder oder -dienste anzunehmen. Auf dieser Mission wollte er aber unerkannt bleiben, sonst hätte er gegen Mitternacht an die Tür des dritten Londoner Bürgervertreters geklopft und wäre auf der Stelle im besten Gemach des Hauses untergebracht worden. Gerne hätte er auch Viviana beeindruckt, davon abgesehen, dass er es kaum erwarten konnte, mit ihr allein zu sein. Viviana, die die Gelegenheit erkannte, dem missliebigen Schäferstündchen zu entkommen, legte Melchor die Hand auf den Arm.
    »Es ist spät.«
    Widerwillig nickte er.
    »Na gut. Wir nehmen das Bett im Saal. Hoffentlich sind die Laken gut

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