Das Amulett der Pilgerin - Roman
mit Simeon diese Falle ausgeheckt. Terrence leerte seinen Krug mit einem großen Schluck, um den bitteren Geschmack in seiner Kehle hinunterzuspülen. Jetzt würde Simeon auch noch dran glauben müssen, noch ein guter Mann. Das Schankmädchen brachte ihm einen zweiten Krug Bier. Es würde das allerletzte Mal sein, dachte Terrence, und dann musste endlich Schluss sein. Emmitt blickte von dem Pergament auf.
»So, ich hoffe, ich habe an alles gedacht.« Er reichte es Terrence.
»Hast du darauf hingewiesen, dass wir das unauffällig allein machen, damit Thorn keinen Verdacht schöpft?«
Emmitt nickte.
»Ich will nicht, dass Miller sich plötzlich besinnt und doch noch mitmachen will. Er ist zwar stinkend faul, aber wenn er ohne viel eigenen Aufwand an einem Erfolg teilhaben kann, dann kriegt er ganz schnell den Hintern hoch.« Terrence stürzte den Inhalt seines zweiten Krugs hinunter und stand auf.
»Los komm, wir sehen uns mal das Dock an, von dem wir morgen losrudern.«
»Sollte ich nicht lieber gleich nach Westminster reiten und den Bericht abgeben?«
»Das kannst du doch noch danach machen. Ich will nicht, dass du morgen den Weg nicht findest.«
Emmitt grinste.
»Da kannst du Gift darauf nehmen, dass ich mir das nicht entgehen lassen werde.«
Ein Schatten huschte über Terrences Gesicht, als er Emmitt aus der Schenke folgte. Es war bereits dunkel, als sie die Gasse hinunter ans Wasser gingen. Der durchdringende Geruch von Brackwasser wehte ihnen entgegen, und schon bald hörten sie die Wellen an das befestigte Ufer schlagen. Das Wasser sah fast schwarz aus. Emmitt stand auf dem gemauerten Kai und blickte in die Tiefe. Es war auflaufendes Hochwasser, und es erstaunte ihn jedes Mal wieder, wie weit im Inland die Gezeiten des Meeres noch zu merken waren.
»Wo ist das Boot?«
»Da drüben.« Terrence zeigte in eine Richtung, wo am Ufer ein Stück entfernt schemenhaft ein Steg zu erkennen war. Emmitt beugte sich vor, um besser sehen zu können.
»Tut mir leid, Junge.« Noch ehe sich Emmitt umdrehen konnte, traf ihn der Griff des Messers hart an der Schläfe. Er sackte in sich zusammen, und Terrence stieß ihn in die Dunkelheit. Klatschend schlug das Wasser über Emmitt zusammen, und sein lebloser Körper wurde von der schnellen Strömung davongetragen. Terrence sah ihm nach. Es tat ihm leid. Er hatte gehört, dass Ertrinken ein angenehmer Tod sein sollte, und ein Bewusstloser würde dem nichts entgegensetzen. Er konnte die Gestalt bereits nicht mehr sehen. Godefroy Helmet, der alte Tattergreis, war ebenfalls ein ganzes Stück flussabwärts getrieben, ehe man ihn entdeckt hatte. Er hatte Terrence immer an einen schnüffelnden, blinden, alten Dachshund erinnert, der hinter jedem Stein Gespenster witterte. Keiner hatte Godefroy mehr ernst genommen, doch ausgerechnet dieses eine Mal hatte er tatsächlich eine Verschwörung entdeckt. Es war fast tragisch, nach einem langen, gefährlichen Agentenleben auf den letzten Metern doch noch erwischt zu werden. Terrence bekreuzigte sich. Was war nur aus ihm geworden, dass er die eigenen Leute umbringen musste? Er knüllte Emmitts Nachricht an den Kardinal zusammen und warf sie ebenfalls in den dunklen Fluss. Missmutig drehte er sich um und ging die Straße zurück, um sich in der erstbesten Spelunke zu betrinken.
Die Nachrichten, die Melchor Thorn von Terrence aus Saint Albans erhalten hatte, waren unerfreulich. Der Kurier war die ganze Nacht durchgeritten und hatte tatsächlich in der Poststation auf ihn gewartet und ein stattliches Trinkgeld verlangt. White war aus dem Loch ausgebrochen und ihm wahrscheinlich auf den Fersen, stand dort geschrieben. Immerhin hatte Terrence das Problem mit dem Glatzkopf gelöst, der, wie zu erwarten, ohne Bedenken die Sache seines Herrn verraten hatte. Jedenfalls würde er jetzt mit einem Messer im Rücken nichts mehr bezeugen können. Melchor hatte dem Kerl von Anfang an nicht getraut. Terrence wollte ein Auge auf Emmitt haben, der die Angelegenheit offenbar durchschaut hatte, und ebenfalls, so schnell es ging, nach London kommen. Er würde die Stadt nicht vor dem Nachmittag erreichen, dachte Melchor, als er aus dem Fenster sah und die Kirchenglocke zum Mittag schlug. Er hatte sich vor einer Stunde von Viviana getrennt, seine Post abgeholt und es sich in seinem neuen Quartier bequem gemacht. Melchor wusste, dass der Wirt dieser gediegenen Herberge dem König seine Steuern vorenthielt, und der Wirt wusste, dass Melchor es wusste. So
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