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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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lächerlich.«
    Simeon nickte.
    »Der Kardinal hat Julian deshalb von dem Fall mit dem Kurier abgezogen und sofort nach Westminster zurückbeordert.«
    Janet blickte ihren Mann aufmerksam an. Es geschah nicht oft, dass er Dinge mit ihr teilte, die seine Arbeit betrafen. Je weniger sie wusste, desto besser, war sein Leitspruch.
    »Aber er ist bis heute nicht in Westminster eingetroffen, oder auch nur eine Nachricht von ihm. Es gibt auch keine Erfolgsmeldung aus Saint Albans, dass man den Auftrag dort erfolgreich abgeschlossen oder einen der Verräter gefasst hat.« Simeons Hände strichen in kleinen Kreisbewegungen über die Tischplatte. »Julian war in Begleitung des Kuriers, einer Frau. Sie ist Französin und angeblich eine große Schönheit. Ist das die Frau, die hier gewesen ist?«
    Janet schlug die Hände vor den Mund und blickte Simeon mit großen Augen an.
    »Ja, das ist sie gewesen.«
    Simeons Hände hielten in der Bewegung inne.
    »Sie ist eine sehr gefährliche Person. Ich verstehe nicht, wie sie uns hier gefunden hat. Das ist gar nicht gut«, sagte Simeon mit Nachdruck, der sich Sorgen um seine Familie machte.
    »Sie hat gesagt, dass Julian in Schwierigkeiten ist.«
    »Das will ich gerne glauben! Ich kann mir nicht erklären, dass er noch immer mit ihr zusammen sein sollte. Das macht keinen guten Eindruck, da der Kardinal ihn schon vor drei Tagen von der Sache abgezogen hat und bisher noch keine Erfolgsmeldung aus Saint Albans in Westminster eingetroffen ist.« Simeon dachte laut nach.
    »Sie hat aber gesagt, dass Julian sie nicht geschickt hat.«
    Simeons Hände kreisten wieder über den Tisch.
    »Wenn Julian sie nicht geschickt hat, was will sie dann?«
    »Vielleicht ist er verletzt?« Janet blickte mit schreckensweiten Augen über den Tisch. »Oder tot?«
    »Dann hätte die Französin wohl kaum gesagt, dass er in ›Schwierigkeiten‹ ist.«
    »Natürlich nicht.« Sie lachte erleichtert.
    »Trotzdem, es ist mehr als seltsam. Dass sie hier bei uns um Hilfe fragt, kann doch nur bedeuten …« Simeon schlug ungehalten auf den Tisch. »Ach, verdammt, ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll!«
    Janet sah ihren Mann unsicher an. »Sie wird ihn doch wohl nicht verhext haben?«
    »Unsinn!«
    Aber die Überzeugung in Simeons Stimme war nicht ganz echt. Was, zum Teufel, war nur in Julian gefahren? Er war sonst so zuverlässig. Wieso war der feindliche Kurier auf freiem Fuß und noch dazu in London? Wo war Julian, und wo war die elendige Liste? Was hatte die Französin mit ihm angestellt? Ein Mann wie Julian, der so lange allein gewesen war, war eine leichte Beute. Hatte sie ihn dazu überreden können, die Seiten zu wechseln? Energisch wischte Simeon den Gedanken beiseite. Er stand auf, ging hinaus und setzte sich auf die Bank vor dem Haus, um auf die Französin zu warten. In seinem Kopf entstanden alle möglichen Szenarien, die Julian dazu bewogen haben könnten, sich so sonderbar zu verhalten, aber keine der Möglichkeiten war befriedigend. Simeon hatte für einen winzigen Moment die Augen geschlossen, als er plötzlich eine etwas raue Frauenstimme mit einem französischen Akzent hörte.
    »Sind Sie Simeon?«
    Überrascht riss er die Augen auf. Eine zierliche, dunkle Frau stand vor ihm.
    »Ich muss mit Ihnen sprechen.«
    »Kommen Sie.«
    Viviana folgte ihm die Straße hinunter und in eine schmale Gasse hinter den Werkstätten. Sie gingen über zwei Hinterhöfe durch eine Toreinfahrt zu einer uralten, winzigen Kirche, die dort schon von Anbeginn der Zeit zu stehen schien. Die Häuser um sie herum waren höher, aber keiner mochte das schäbige, unscheinbare Gotteshaus abreißen. Simeon hielt Viviana die Tür auf, und sie trat ein. In der Kirche war es dämmrig und roch muffig nach altem Holz. Sie setzten sich auf die letzte Bank.
    »Wo ist Julian?«
    »Als ich ihn das letzte Mal gestern Morgen gesehen habe, war er im Verlies des Sheriffs von Saint Albans.«
    »Weshalb?«
    »Weil Melchor Thorn es so angeordnet hat.«
    Simeon ballte die Fäuste.
    »Ich habe nicht viel Zeit, deshalb muss ich mich kurzfassen. Julian und ich haben die Liste aus dem Versteck geholt. Ehe wir die Liste zu Thorn bringen konnten, der die Sache für Julian übernehmen sollte, wurden wir überfallen, und die Liste ist geraubt worden. Am nächsten Morgen hat Thorn uns festnehmen lassen, weil wir angeblich zu den Verrätern übergelaufen sind. Also, Julian, ich bin ja schon eine Verräterin.«
    Simeon verschluckte sich an seinem Husten.

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