Das Amulett der Pilgerin - Roman
sich Sorgen macht.«
Julian warf einen letzten Blick auf den großen Mann, der aber zu weit entfernt war, um sein Gesicht genau erkennen zu können. Jetzt sprach er mit jemandem und ging in ein Haus. Hatte Rinaldo nicht gesagt, er sei das erste Mal in Exeter? Zumindest hatte es so geklungen. Mit wem spricht er dann? Julian folgte Viviana, die eilig die Treppen hinabstieg. Für einen Moment hatte er vergessen, dass dies eine Untersuchung und kein Ausflug war.
Etwa eine halbe Stunde später saßen sie zu dritt beim Abendessen im »Red Inn«. Viviana hatte Rinaldo erzählt, dass sie ihn vom Turm der Kathedrale aus gesehen hatten, aber er hatte den Kopf geschüttelt. Er hätte bis vor einer Viertelstunde geschlafen. Sie hatte das so hingenommen und weiter von ihrer Turmbesichtigung berichtet, aber Julian war sich fast sicher, dass er Rinaldo in der Stadt gesehen hatte.
»Ja, es ist ein großartiger Ausblick. Wenn Sie morgen noch hier sind, sollten Sie auf jeden Fall auch auf den Turm steigen.«
Rinaldo reagierte zurückhaltend. Er misstraut mir, dachte Julian und fuhr fort: »Leider breche ich morgen nach Reading auf. Ich muss Dokumente und ein Pferd überführen.«
»Sie überführen ein Pferd nach Reading?«
Die Falle war zugeschnappt. Reading lag auf dem Weg nach Saint Albans, und aus irgendeinem Grund hatten Rinaldo und Vivian nur einen Maulesel. Es drängte sich also geradezu auf, dass sie sich Julian anschlossen.
»Wir reisen in die gleiche Richtung!«, sagte Vivian erfreut, wurde aber durch einen warnenden Blick Rinaldos davon abgehalten, weitere Einzelheiten zu erzählen. Kurz darauf verabschiedete sich Julian, er hätte noch Vorbereitungen für seine Abreise zu treffen. Und tatsächlich musste er auf die Schnelle ein Pferd auftreiben.
»Warum bist du so misstrauisch, Rinaldo? Wir haben doch nichts zu verbergen?«
Viviana betrachtete ihren Weggefährten, der sie nachdenklich und fast ein bisschen schmollend ansah.
»Es ist einfach besser, wenn man vorsichtig ist. Was wissen wir denn über diesen Julian?«
»Er ist ein Beamter des Königs, so etwas wie ein Rechnungsprüfer.«
»Hat er gesagt, was er in Exeter macht?«
»Nein. Ich habe ihn nicht gefragt, damit er mir nicht die gleiche Frage stellen würde.« Viviana war überrascht, dass Rinaldo ihre neue Bekanntschaft so offensichtlich ablehnte. »Ich bin sicher, er hätte es mir gesagt, wenn ich es hätte wissen wollen.«
»Hat er gefragt, wohin wir wollen?«
»Nein.«
Rinaldo ließ die Gelenke seiner Finger knacken und sah nachdenklich vor sich hin.
»Nach Reading haben wir den gleichen Weg. Wenn er ein Pferd überführt und wir uns ihm anschließen, kämen wir erheblich schneller voran.« Warum wollte Rinaldo diese wunderbare Gelegenheit nicht wahrnehmen?
»Hat er dir Avancen gemacht?«
»Mir? Nein, überhaupt nicht. Also wirklich, Rinaldo, wahrscheinlich ist er einfach ein ehrbarer, freundlicher Reisender mit einer Frau und fünf Kindern zu Hause, der sich langweilt und Gesellschaft sucht.«
Rinaldo murmelte etwas Unverständliches. Viviana blickte ihn stirnrunzelnd an.
»Was?«
»Du kannst natürlich tun, was du möchtest, Viviana.«
»Oh, Rinaldo, nun hör aber auf!« Sie streckte die Hand über den Tisch und legte sie auf seinen Unterarm.
»Wenn du partout nicht mit ihm reisen möchtest, dann werden wir eben allein weiterreisen. Das hat bisher ja auch gut geklappt.«
»Allerdings wären wir beritten erheblich schneller.« Rinaldo rang mit sich.
»Und zu dritt wäre es auch sicherer«, pflichtete Viviana ihm bei, die wirklich sehr gerne ihre Bekanntschaft mit Julian vertiefen wollte.
»Na gut. Mir ist zwar nicht wohl bei der Sache, aber die Vorteile liegen auf der Hand.« Er blickte Viviana an. »Sei nicht zu vertrauensselig, die meisten Menschen führen etwas im Schilde.«
Die Sonne war gerade untergegangen, und der Stalljunge hatte die Laternen im Hof angezündet, als Julian auf einem eleganten Braunen durch die Toreinfahrt geritten kam. Viviana saß auf ihrem Strohballen und beobachtete diesmal die Glühwürmchen, die im angrenzenden Garten auf Brautschau waren. Die Hühner waren bereits in ihrem Stall eingesperrt worden, damit sie nicht Opfer herumstreunender Hunde wurden.
»Weißt du, wo der Stalljunge ist?«, fragte Julian Viviana und glitt aus dem Sattel.
»Ich glaube, er isst zu Abend.« Viviana kam zu ihm herüber. »Soll ich ihn holen?«
»Nein, das mache ich schon. Könntest du das Pferd halten?«
»Gerne.«
Ihre
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