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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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Hände berührten sich einen Augenblick zu lang. Er musste sofort damit aufhören, überhaupt in diese Richtung zu denken, rief sich Julian zur Ordnung. Viviana streichelte die Nüstern des Pferdes. Diese Geste kam ihr seltsam vertraut vor, und sie bemerkte, dass sie einfach davon ausgegangen war, dass sie reiten konnte. Sie ging um das Pferd herum und betrachtete den Sattel und das Zaumzeug. Ja, sie war sich sicher, dass sie in ihrer Vergangenheit geritten war. Julian kam zurück, im Schlepptau den kauenden Stalljungen. Viviana überließ ihm den Zügel. Julian blickte sie an.
    »Ein nettes Plätzchen da.« Er machte eine Bewegung zu dem Strohballen.
    »Das stimmt.« Sie ging wieder zu ihrem Sitzplatz, und er folgte ihr.
    »Viviana, du hast vorhin gesagt, dass ihr in dieselbe Richtung wie ich reist. Wo wollt ihr denn hin?«
    »Wir wollen nach Saint Albans.« Viviana hatte nicht das Gefühl, ein großes Geheimnis preiszugeben, wenn sie Julian sagte, was das Ziel ihrer Reise war.
    »Ah, da bin ich auch schon mal gewesen. Reading liegt in der gleichen Richtung, wollen wir nicht zusammen reisen?« Er stellte diese Frage in dem denkbar unschuldigsten Ton, wie jemand, der gerne den Schutz und die Gesellschaft von zwei weiteren Reisenden genießen wollte.
    »Ja, der Gedanke war uns auch gekommen. Das wäre nett. Allerdings müsste dann einer von uns dein zweites Pferd reiten.«
    »Das ist ja klar.«
    »Sehr schön, ich freue mich.« Sie lächelte ihn vergnügt an. Es gab Julian einen Stich, sie zu belügen, während er sich erneut fragte, in welcher Beziehung sie zu dem Südländer stand. Als hätte er Julians Gedanken gehört, öffnete sich die Tür, und Rinaldo trat aus dem Schlafsaal.
    »Ihre Schwester hat mir gerade gesagt, dass wir ein Stück des Weges gemeinsam reiten wollen«, begrüßte er ihn gut gelaunt.
    »Ja, das bietet sich an.« Rinaldos Blick fiel auf den Burschen, der gerade den Sattel des Pferdes über den Holm der offenen Box hievte.
    »Ist das das Tier?«
    »Ja.«
    »Wie kommt es, dass es schon Sattel und Zaumzeug hat?«
    »Es wurde seinem Besitzer gestohlen, und ich bin sicher, dass er alles zurückhaben will«, log Julian, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Nun, wir sind Ihnen dankbar, wenn Sie uns ein Reittier überlassen«, sagte Rinaldo höflich.
    »Kein Problem.«
    »Unser zweites Maultier hat sich ein Gelenk gezerrt, und wir mussten es zurücklassen. Wir haben leider nicht die Mittel, uns ein neues zu kaufen.«
    Oder für Viviana ein paar ordentliche Schuhe, dachte Julian mit einem Blick auf die nackten Füße neben sich im Stroh. Er stand auf und gähnte.
    »Ich will morgen bei Tagesanbruch los, passt Ihnen das?«
    Rinaldo nickte und ging zurück in den Schlafsaal.
    »Dein Bruder scheint mir aber nicht froh darüber zu sein, dass wir gemeinsam weiterreisen?«
    Viviana seufzte.
    »Er ist Fremden gegenüber sehr misstrauisch. Aber ihr werdet euch ja bald besser kennenlernen, und dann ist er ein anderer Mensch!«
    Ja, diesen anderen Menschen würde Julian nur zu gerne näher kennenlernen, aber er hatte das Gefühl, dass Rinaldo das anders sah.

• 7 •
    S ie waren alle ein bisschen verschlafen, als sie sich früh am nächsten Morgen wieder im Hof zusammenfanden. Nach einem schnellen Frühstück wurde aufgesessen.
    Rinaldo hob Viviana in den Sattel, und sie merkte sofort, dass ihr Gefühl sie gestern nicht getrogen hatte. Sie fühlte sich völlig sicher. Rinaldo stieg auf sein kräftiges Maultier, und Julian fragte sich, wie weit das Tier den großen, schweren Mann wohl tragen konnte. Er würde es im Laufe des Tages herausfinden, dachte er und schwang sich auf seinen Fuchs. In der Stadt herrschte trotz der frühen Stunde schon reger Betrieb, und sie mussten sich auf die Straße konzentrieren. So bemerkte auch keiner von ihnen die Gestalt, die ihnen in sicherem Abstand folgte.
    Wie viel angenehmer es doch war, auf dem Rücken eines Pferdes zu reisen als zu Fuß zu gehen! Viviana sah sich um. Die Morgenluft roch aromatisch nach Sommer, und es würde ein heißer Tag werden. Sie hatte die Ärmel ihres Kleides hochgekrempelt, und die warme Luft strich über ihre Haut. Welch ein Glück, dass sie Julian kennengelernt hatten. Rinaldo hatte gesagt, dass es nach Saint Albans über zweihundert Meilen waren. Bei dem Tempo, das sie bisher zu Fuß geschafft hatten, würden sie mehr als zwei Wochen unterwegs sein, und Viviana bezweifelte, dass ihr Geld bis dahin reichen würde. Sie blickte zu Julian, der vor ihr

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