Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
wollte, nur lauter Wiederholungen von längst abgesetzt und ausgelutschten Serien. Aber was sollte man um halb sechs Uhr morgens schon anderes erwarten. Ich sah ohnehin nicht zu. Mein Blick wanderte immer wieder hinaus zum Himmel und suchte nach den ersten Anzeichen des Sonnenaufgangs. Ich wollte so früh wie möglich los. Es war besser, wenn Keira nichts von meinem Vorhaben wusste. Sie würde mich umbringen, wenn sie auch nur ahnte, was ich in spätestens zwei Stunden machen würde.
Als die alte Uhr im nächsten Raum sechs schlug, schlurfte ich müde zurück in mein Zimmer. Wie immer zog ich eine Jeans aus meinem Schrank und durchwühlte den frisch gewaschenen Stapel nach einem meiner Lieblingsoberteile. Es war schwarz und passte mir einfach perfekt. Das Outfit stand. Wenn man es als solches beschreiben konnte. Ich machte mir eigentlich nicht besonders viel aus Kleidung. Wenn sie passten und nicht zu peinlich waren, erfüllten sie ihren Zweck. Ich flitzte in den Keller. Soweit ich voraussagen konnte, würde ich auf jeden Fall eine Taschenlampe brauchen. Seile waren anscheinend auch von Nöten. Zumindest wenn ich dem Rätsel glaubte. Es lag so viel verschiedenes Zeug in den alten, wackeligen Regalen, dass ich fast eine halbe Stunde brauchte, bis ich Seil und Lampe fand. Ich sah aus dem winzigen Kellerfenster und konnte erahnen, dass es inzwischen hell war. Höchste Zeit aufzubrechen.
Ich sprang in meinen Mustang und ließ, wie üblich, den Motor aufheulen und fuhr mit durchdrehenden Reifen los. Die Staubwolke in der Auffahrt war gigantisch und nahm den gesamten Rückspiegel ein. Ich raste über den trockenen Boden direkt auf die Schlucht zu. Ich liebte es schnell zu fahren und eine schöne Vollbremsung schien mir eine spaßige Idee. Ein Glück, das ich eine gute Werkstatt hatte, die meinen Mustang immer im besten Zustand hielt. Ich lachte, als die Reifen über den Schotterboden rutschten und schließlich zum Stehen kamen. Mein schwarzes T-Shirt war jetzt nicht mehr ganz so schwarz.
Ich stieg aus, schlug die Wagentür zu und klopfte mir erstmal ein wenig den Staub ab. Zielstrebig holte ich die Lampe und die Seile von der Rückbank. Ich war mir noch nicht ganz sicher, wo genau die Höhle in der Wand der Schlucht sein sollte. Ich war mir allerdings ziemlich sicher, dass dies das Rätsel meines Großvaters bedeutete. Dass in der Wand der Schlucht ein Versteck lag, indem ich die zweite Truhe finden würde.
Die Anwohner nannten die Schlucht auch die Schlucht der Unendlichkeit. Und hinab steigen, war ja wohl mehr als eindeutig. Ich musste nur noch die Stelle finden. Dafür gab es keinen Hinweis im Rätsel. Blöder alter… Er hätte sich wenigstens dazu herablassen können etwas mehr preiszugeben. Oder erwartete er, dass ich tagelang an der Wand hing und jeden Meter absuchte? Irgendwie musste er mir auch schon die richtige Stelle mitgeteilt haben. Vielleicht wieder irgendeine unwichtige Bemerkung. Wie schwachsinnig einem sechsjährigem Kind lauter versteckte Rätsel zu sagen und zu erwarten, dass ich mich ohne Probleme daran erinnern würde.
Ich stand an der Klippe und sah in die Schlucht hinunter. Wie immer konnte man ihren Boden nicht einmal erahnen. Ihren Namen hatte sie sich wirklich verdient. Also wo sollte ich anfangen zu suchen? Lange hatte ich sicherlich nicht mehr Zeit, dann würde das Handy in meiner rechten Hosentasche anfangen zu vibrieren. Keira würde sich nicht lange mit einer Funkstille zufriedengeben. Dazu machte sie sich immer viel zu viele Sorgen um mich. Und heute konnte ich ihr das nicht wirklich übel nehmen. In eine Schlucht hinabsteigen war nicht gerade das Vernünftigste, was man machen konnte. Andererseits war mein eigenes Haus für mich fast genauso gefährlich. Kein Grund diesem Geheimnis nicht nachzugehen.
Ich lief an der Klippe entlang und lehnte mich immer wieder über den Rand. Ich hoffte etwas zu sehen, dass meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen würde. Einen Ast, vielleicht auch eine merkwürdige Felsenformation an der gegenüberliegenden Seite. Als ich nach einer halben Stunde immer noch nichts gefunden hatte, setzte ich mich frustriert in den Staub. Ohne eine wirkliche Idee würde das hier viel zu lange dauern. Ich schloss die Augen und versuchte mich zu konzentrieren. Ich versuchte mich an alles zu erinnern, was mein Großvater jemals zu mir gesagt hatte. Ich sah lauter Gesprächsfetzen vor mir, aber keiner half mir weiter. Irgendeinen Anhaltspunkt musste es doch geben.
Ich
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