Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
fassen.
»Glaubst du, in ihrem Zustand konnte sie auch nur irgendetwas vor uns verheimlichen? Sie hat Glück gehabt, dass wir sie als nützlich betrachteten und ein spezielles Potenzial in ihr sahen, ansonsten wäre sie schon längst tot.«
Keira lebte. Sie war nicht tot. Sie lebte. Was der Rest bedeuten sollte, wusste ich noch nicht.
»Was habt ihr Keira angetan?!«
Wieder raste der Knauf auf mich nieder, doch in letzter Sekunde änderte sie den Griff an ihrem Schwert und anstelle des Knaufs, schnitt die Klinge über meine linke Wange. Der Schnitt war nicht tief, aber er blutete so stark, dass schnell Blutstropfen von meinem Kinn fielen. Sie tränkte das T-Shirt, das die Jäger immer mal wieder mit dem Essen durch die Luke schoben.
»Wage es nicht noch einmal, deine Stimme zu erheben. Deine Freundin ist ein großes Talent. Sie ist eine geborene Jägerin. Du solltest stolz auf sie sein.«
Auch wenn mein Gesicht keine meiner Emotionen verriet, in mir tobte es. Sie log. Das war das einzig Glaubhafte. Sie log, um mich zu verunsichern. Keira würde nie einen unschuldigen Menschen zu etwas Schlimmeren als den Tod verdammen. Nicht Keira.
»Das ist eine Lüge!« Die Strafe folgte sofort. Dieses Mal zerriss die Klinge die Haut an meinem Oberarm und schnitt mir tief ins Fleisch. Ich zuckte fast unmerklich mit den Mundwinkeln. Schmerz war mir schon immer vertraut gewesen, aber inzwischen war er ein ständiger Begleiter.
»Ich frage dich ein letztes Mal, wenn du wieder nicht antwortest, wirst du es noch sehr bereuen. Also, wo ist das Amulett?«
Ihre Augen blitzten gefährlich und trugen die Gier nach noch mehr Blut in sich. Ich biss mir auf die Lippe. Ein klares Zeichen, dass ich nicht antworten würde. Wieder sauste das Schwert auf mich nieder und zerschnitt die Haut nur wenige Zentimeter vom vorangegangen Angriff. Ich spürte, dass mein Arm ein wenig taub wurde und meine Sinne anfingen zu schwinden. Von dem, was ich bis jetzt an Blut verloren hatte, hätte man sicherlich eine ganze Intensivstation versorgen können.
»Du wirst noch sehr bereuen, dass du meine Gnade nicht ausgenutzt hast. Wir sehen uns wieder Janlan Alverra.«
Sie sagte es und stand auf, ohne mich noch einmal anzusehen. Sie klatschte in die Hände, sofort öffnete sich die Tür und die kleine gebückte Gestalt huschte herein, trug den Stuhl hinaus und war auch schon wieder verschwunden. Mit dem Knall der zufallenden Tür erlosch das rötliche Licht der Lampe. Alles, was blieb, war das diffuse Licht der so weit entfernten Sonne. Ich zerriss mühselig eines der T-Shirts. Umständlich schaffte ich es, einen Verband um meinen Oberarm zu binden und drückte mir dann mit der anderen Hand einen Stofffetzen gegen den Kopf. Es dauerte eine Ewigkeit, bis die Blutung nachließ und schließlich versiegte. Stunden später öffnete sich meine Kerkertür erneut. Ein ängstlicher alter Mann trat flankiert von einem mir unbekannten Jäger durch die Tür. Er trug einen breiten Koffer, der mich an unzählige Filme erinnerte.
»Das ist Doktor Ersen. Er wird deine Wunden versorgen. Wenn ich nur ein Wort höre, wird er noch eine Wunde mehr zu versorgen haben«, drohte die riesige Gestalt, dessen Gesicht ich nicht erkennen konnte. Doktor Ersen war ganz eindeutig nicht aus freien Stücken hier. Ich fragte mich, welches Druckmittel der Zirkel gegen ihn hatte. Er vermied jeden Augenkontakt. Er legte mir einen sauberen Druckverband an, nachdem er die Schnitte gesäubert und genäht hatte. Auch um den Kopf trug ich am Ende seiner Behandlung einen weißen Verband. Mein Kopf pochte schmerzhaft und die daraus resultierenden Kopfschmerzen waren nicht sonderlich leicht zu ertragen, aber jede Frage nach Schmerzmitteln war unsinnig und sicherlich nicht noch eine Wunde wert.
Diese Abfolge der Ereignisse wiederholte sich alle zwei Tage. Samantha ließ mittags ihren Stuhl hereintragen, stellte mir immer wider die Frage nach dem Amulett und säte Lügen über Keira in meine Gedanken. Wenn ich nicht antwortete oder ihr widersprach, erntete ich eine neue klaffende Wunde, die Doktor Ersen am Abend versorgte. Allein der Gedanke, dass Keira nicht tot war, ließ mich all das durchstehen. Es bedeutete, dass es noch Hoffnung gab. Keira war sicherlich genau in diesem Moment dabei, einen beeindruckenden Plan zu entwickeln. Ich musste solange durchhalten, bis sie ihn in die Tat umsetzen konnte. An diese winzige Hoffnung hielt ich mich fest. Immer öfters kam es vor, dass ich nach Samanthas
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