Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
Ausweg zu finden. Irgendetwas, womit ich Keira vor den Händen dieser Bestie bewahren konnte. Ich war völlig hilflos. Da war nichts, das ich tun konnte. Nichts, um das zu verhindern, was gleich passieren würde.
»Holt sie.«
»Nein!«, schrie ich und versuchte mich zwischen Keira und die drei herankommenden Jäger zu schieben. Es war unmöglich. Wenn ich mich auch nur ein wenig bewegte, würde Keira auf den harten Steinboden knallen. Viel zu schnell waren die Jäger bei uns und packten Keira unsanft an den Armen. Sie achteten nicht im Geringsten auf ihre Verletzungen. Das Stöhnen, das sich aus ihrer Kehle erhob, war unerträglich. Ihre Augenlieder flackerten und für eine winzige Sekunde sah ich in ihre dunklen Augen. Sorge, Angst und Schmerz tobten in ihnen, dann verlor Keira das Bewusstsein. Ihr ganzer Körper sackte zusammen. Das war das Letzte, was ich sah, bevor die schwere Tür mit einem ohrenbetäubenden Knall zufiel und mich alleine in einem dunklen Raum zurück ließ.
Folter
Jede Verzweiflung, die zuvor an meinem Herzen genagt hatte, war nichts im Vergleich zu dem, was ich jetzt fühlte. Inzwischen waren zwei Wochen vergangen, seit sie Keira aus diesem Kerker geschleppt hatten. Ich wusste nicht, ob sie noch lebte oder an ihren Verletzungen gestorben war. Alleine der Gedanke daran erschwerte mir das Atmen und schnürte mir die Kehle zu.
Immer wieder bekam ich magere Mahlzeiten durch eine winzige Luke in der Tür herein geschoben. Ich aß selten alles davon. Ich hatte keinen Appetit und wollte auch sonst nichts als in der Schwärze meiner Trauer zu ertrinken. Wenn ich am Anfang unserer Reise eine normale Figur hatte, die durchaus eine oder zwei Kilo weniger vertragen hätte, war ich jetzt schon zu dünn. Sicherlich war es nicht gesund in so kurzer Zeit so viel abzunehmen, aber auch das war mir egal. Ich verbrachte jeden Tag damit, darauf zu warten, dass sie endlich auch mich holten. Ich hatte aufgegeben die Jäger, die das Essen brachten, nach Keira zu fragen. Ihre Antwort war jedes Mal dieselbe gewesen. Ein lautes höhnisches Lachen. Dass einzige positive an meiner Unbewegtheit war, dass meine Rippen zu heilen schienen. Nicht dass es mich kümmerte. Ich saß in einem winzigen Raum. Eine Gefangene des Zirkels. Unwissend über das, was draußen in der Welt geschah. Nicht, dass die Welt sich in den letzten Jahren auch nur annähernd für Alanien interessiert hatte. Aber was mich am meisten in meiner Unbewegtheit festhielt, war das Unwissen über das Schicksal meiner Freundin.
Ich träumte nicht. Also konnte ich auch keinen Trost bei Craig finden. Es war als würde meine Hoffnungslosigkeit, mich von allem abschirmen. Ein undurchdringlicher Schild, den selbst der Mann, den ich zu lieben glaubte, nicht durchdringen konnte. In einigen wenigen klaren Momenten hatte ich mich für mein erbärmliches Selbstmitleid verabscheut. Ich ließ die Welt dort draußen einfach im Stich. So wie ich Keira im Stich gelassen hatte. Wenn ich einmal träumte, waren es keine Träume, an die man sich am nächsten Morgen erinnern wollte. Es waren Träume ausgefüllt von Folter und unerträglichen Schmerzen. Der Folter von Keira. Mehrere Male war ich nachts aufgeschreckt und hatte mir eingebildete ihre Schreie in weiter Ferne wirklich zu hören. Wenn das geschah, weinte ich für Stunden, bis ich so ausgetrocknet war, dass keine einzige Träne mehr meine Augen verließ.
Ich verfiel in eine stumpfe Taubheit. Ich bekam kaum noch mit, wie die Tage vorbeizogen. Ich merkte nicht, ob es hell oder dunkel war. Ob Licht durch das winzige Fenster fiel oder ich umgeben war von pechschwarzer Finsternis. Ich kannte jeden Stein in meinem Kerker. Selbst wenn ich die Augen schloss, sah ich noch die kalte nasse Wand vor mir. Ich war genauso tot, wie die Seelengeister, die ruhelos über die Erde wanderten. Nur dass ich einen Körper hatte und meine Seele abhandengekommen war. Ich schaffte es nicht, in die Seelensicht zu wechseln. Ich wollte keine Seelen sehen, nur um dann festzustellen, dass keine von ihnen Keiras Blauton hatte.
Ich war tot. Eine andere Sicht gab es nicht. Ich war gefangen in meiner eigenen persönlichen Hölle. Nur darauf wartend, dass ich ermordet wurde oder aus Schwäche starb. Eines von beiden würde ganz sicher eintreten. Alleine der Zeitpunkt war noch zu bestimmen. Ich hörte auf, die Tage zu zählen, als der vierundzwanzigste sein Ende fand. Wie viele Tage danach noch verstrichen waren, wusste ich nicht. Viele, wenige, es
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