Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
aber die Fremdartigkeit ihrer Augen ließ mich daran zweifeln, ob es noch Keira war, die vor mir saß.
»Was mir passiert ist? Der Zirkel hat mir das Leben gerettet. Das ist passiert. Ich hatte starke innere Verletzungen. Verletzungen, die ich deinetwegen bekommen habe. Weißt du, wie schmerzhaft es ist, langsam aber stetig zu verbluten…«
Mein Blut floss nicht mehr durch meine Adern. Es war bei ihren Worten zu Eis erstarrt. Sie war meinem Blick nicht eine Sekunde ausgewichen. Er war so starr, dass es genauso gut Glasaugen sein konnten.
»Keira, es tut mir leid, dass ich dir das angetan habe«, ich flüsterte es, während sich meine Augen unaufhaltsam mit Tränen füllten. Sie hatte recht. Ich hatte ihr das hier angetan. Mit einem Klirren verkündete Keira die Ankunft ihrer Schwerter. Sie legte sich beide gekreuzt auf den Schoß. Ich fürchtete den Moment, in dem Keira mein Blut vergießen würde. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie sie das weiter zerstören würde. Irgendwo in dieser von Brutalität gesteuerten Hülle, musste schließlich noch ein Bruchteil meiner Freundin existieren. Ein Teil der fürsorglichen, toughen verlässlichen Keira. Ich hoffte inständig, dass ihr Blut noch rot und flüssig war und nicht schon diese zähflüssige merkwürdig schimmernde Konsistenz angenommen hatte. Ich wusste nicht, ob es dann noch einen Weg gab sie zu retten.
»Auch wenn ich dir die Schmerzen vorwerfe, bin ich dir dankbar, dass du mich hergeführt hast. Der Zirkel ist eine beeindruckende und unwiderstehliche Organisation. Es ist kein Wunder, dass es ihnen ein Leichtes war, deinen Orden auszulöschen und mit dir ist diese Aufgabe dann endgültig erfüllt.«
Ihre nächste Bewegung machte mich stutzig. Sie passte nicht zu dem Rest. Sie fiel aus ihrem Verhaltensmuster. Keira wandte ihren Kopf kaum merklich über die Schulter und sah eine Sekunde auf Samanthas Gestalt, die uns aus einer der Ecken im Raum beobachtete. Ich hatte sie nicht bemerkt, so starr war meine Aufmerksamkeit auf Keira gerichtet gewesen. Als sich ihr Gesicht wieder mir zudrehte, dachte ich für eine Sekunde einen Funken von dem vertrauten Wesen Keiras zu sehen. Dann war es auch schon wieder fort und das Lächeln des Racheengels war zurück.
»Samantha hat mir erzählt, dass du nicht bereit bist, ihr das Versteck des Amuletts der Seelentropfen zu verraten, das ist wirklich nicht besonders intelligent, Janlan. Bis jetzt waren sie noch gnädig mit dir. Sie haben mir gestattet, dir einen letzten Freundschaftsbeweis zu leisten. Janlan, wo ist das Amulett? Du weißt so gut wie ich, dass du das Versteck kennst.«
Keira wusste doch, dass ich das Gedicht nicht gelöst hatte. Warum stellte sie mir diese Frage? Warum hatte sie dem Zirkel nicht das Gedicht verraten?
»Janlan, wo ist das Amulett?«, verlangte sie noch eindringlicher. Ich biss mir so stark auf die Lippe, dass diese anfing zu bluten. Schnell tropfte es mir vom Kinn.
»Du weißt genau, dass ich das nie dem Zirkel verraten werde.«
Es schmerzte schlimmer als alles andere, Keira zum Zirkel dazu zu zählen. Ich schloss die Augen. Ich wollte nicht sehen, wie Keira ihre Klingen gegen mich erhob. Fast schon dachte ich es würde nichts geschehen, da es viel zu lange dauerte, doch dann explodierte ein Schmerz an meinem rechten Schlüsselbein, der begleitet wurde von einem unüberhörbaren Knacken. Keira hatte mir das Schlüsselbein gebrochen. Mein T-Shirt wurde überraschend schnell feucht und warm. Sie musste mir auch noch eine offene Wunde zugefügt haben. Ich brachte es nicht über mich, meine Augen zu öffnen. Ich wollte nicht sehen, dass es Keira war, die das Schwert dieses Mal geführt hatte. Ich wollte nicht in ihre Augen sehen. Nicht in die Augen, die ich für meine Familie gehalten hatte und die jetzt bereitwillig das Schwert gegen mich erhob. Wenn ich meine Augen nicht öffnete, konnte ich mir vielleicht einreden, dass es nicht Keira war. Dass Samantha wie immer vor mir saß und sich an meinem Blut ergötzte. Alles war besser, als das Wissen, dass es Keira war. Eine Hand zwang mich das Kinn zu heben. Ich musste jetzt genau auf Augenhöhe mit ihr sein. Die Hand ließ mein Gesicht nicht los.
»Sieh mich an, Janlan.«
Ich kniff die Augen weiterhin zusammen und biss mir erneut auf die Lippen. Ich nahm nur noch den metallenen Geschmack meines eigenen Blutes wahr.
»Sieh mich an«, verlangte die vertraute Stimme erneut. Ich gehorchte nicht. Der nächste Hieb schlug mich zu Boden. Ich
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