Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
Armen sein wollte. Da dies unmöglich war, blieben ihm nur Worte.
»Ich bin sicher, sie ist auf eine Art bei dir. So wie unsere Eltern, wenn sie nicht mehr sind. Wie alle Menschen, die wir geliebt und verloren haben.«
Ich sah ihn dankbar an, auch wenn seine Worte im Grunde unglaublich leer waren. Dann trat etwas in seine Augen, das mich beunruhigte.
»Was ist?«
Erst dachte ich, er würde es mir nicht sagen, doch dann begann er langsam mit der Sprache heraus zurücken.
»Ich habe nicht ohne Grund von Keira angefangen. Ich weiß vielleicht nicht viel von mir selbst, aber ich kann mich noch daran erinnern, wie ich zum Seelengeist wurde und was ich in den paar Momenten davor noch getan hatte.«
Ich wurde hellhörig. Ich hatte mich schon gewundert, dass er sie angesprochen hatte. Ich sagte nichts, sondern wartete, dass er zum Punkt kam. »Ich weiß wirklich ein wenig was über eure Familien. Ich habe dir nie erzählt, wie ich zu dem hier geworden bin… Ich habe das Versteck des Ordens bei uns entdeckt. Es war eine alte Ruine, dessen Boden eingestürzt ist und so den Eingang zu diesen verborgenen Räumen freigegeben hat. Ich habe in alten Büchern gelesen, die nicht in dieser anderen merkwürdigen Sprache geschrieben waren, als die Seelenjäger mich überraschten.«
Ich hob erstaunt eine Augenbraue. Ich hatte nicht gedacht, dass in irgendeinem Versteck des Ordens Bücher waren, die jeder lesen konnte. Ich hatte gedacht sie wären alle in dieser besonderen Schrift verfasst worden.
»Was war das für ein Buch?«
»Eine Art Geschichtsband. Der viele der Geschichten von einigen Schützern und Seelensehern erzählt hat. Auch wenn es alles völlig unterschiedliche Menschen waren und sie auch unterschiedlichen Situationen ausgesetzt gewesen waren, hatten sie alle etwas gemeinsam.«
Er atmete einmal tief ein, bevor er sich überwand und weitersprach. »Wenn ein Schützer gestorben war, hat der Seelenseher nie lange alleine überlebt. Der Autor konnte keinen Grund nennen, warum das immer der Fall zu sein schien. Es war wohl unausweichlich, sobald ein Schützer seinen Seher alleine zurückgelassen hatte. Ich weiß, dass das etwas ist, das du nicht hören möchtest und es heißt ja nicht, dass es immer noch eintrifft. So vieles hat sich seit der Zeit verändert, in der der Orden von Alverra sehr viel Einfluss genoss… Ich möchte nur, dass du vorsichtig bist.«
Na, das waren tolle Aussichten. Nicht nur, dass ich eventuell bald sterben könnte. Nein, das war nicht genug, dann wäre Keiras Tod wirklich völlig sinnlos. Craig unterbrach meine düsteren Gedanken erneut.
»Der Autor begründete es damit, dass anscheinend mit dem Tod des Schützers ein großer Teil der Macht des Seelensehers verloren geht. Ich will nur, dass du gewarnt bist und nicht blind in etwas hinein gerätst.«
Ich seufzte, »Ich fürchte, dafür ist es längst zu spät. Ich taste die ganze Zeit schon im Finsteren und kann nicht das Geringste sehen. Ich kann dieses blöde Rätsel einfach nicht lösen«, ich murmelte den letzten Satz verärgert und hörte sofort die Strophen des Gedichtes.
»Welches Gedicht?«
Sofort zitierte ich es ihm. Auf Craigs Gesicht breiteten sich Falten der Konzentration aus. Ich unterdrückte ein Lachen. Er sah aus, als würde er versuchen eine unmögliche Matheaufgabe vergeblich zu lösen.
»Hast du schon mal von dem Singenden Baum gehört?«
Mein Kopf zuckte hoch. Ich konnte nicht glauben, wie blind ich wirklich gewesen war. Wie hatte ich das nicht sehen können?
»Aber natürlich. Der Singende Baum! Der Singende Baum der im ewigen Tal wächst! Dort ist das Amulett! Der Ort, an dem die Zeit nicht vergeht und das Leben vorüberzieht unter dem ständigen Lied…«, zitierte ich eifrig das Gedicht, das nun kein Rätsel mehr war. Craig grinste mich an. Meine Augen sprühten mit der Hoffnung, die sich mir plötzlich offenbarte. »Craig du bist unglaublich!«, ich strahlte ihn glücklich an. »Wir müssen zum Ewigen Tal!«
Er nickte, »Sieht ganz danach aus.«
Obwohl es bereits Nacht war, und ich eigentlich hätte schlafen sollen, ließ ich den Motor an und fuhr nun einem Ziel entgegen. Das Ewige Tal und der Singende Baum waren eigentlich Mythen, die kleinen Kindern erzählt wurden. Keiner hatte diesen Baum je gesehen, aber ich erinnerte mich, wo er sein sollte. In den Märchen, die von ihm erzählten, hieß es immer, dass er eingeschlossen war von der Bergkette im Südosten von Kemt. Ich hatte inzwischen zu viel erlebt,
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