Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
um immer noch zu denken, dass dieser mystische Ort genau das war, ein Mythos. Er war real und ich würde ihn finden. Ich würde ihn finden und dann das Amulett. Ich würde meine Versprechen halten. Ich würde zu Ende führen, was Keira und ich begonnen hatten.
Zwei Seelen
In mir brannte eine Entschlossenheit, die sich von nichts aufhalten ließ. Jeder Kilometer, der unter den Reifen des Autos dahinflog, war ein Kilometer, der mich meinem Ziel näher brachte. Meinem Ziel, dem Zirkel ein Ende zu bereiten, selbst wenn das mein Ende sein sollte. Craig musste mich jeden Abend dazu zwingen, den Motor abzuschalten und ein wenig zu schlafen. Ich empfand es als eine lästige Zeitverschwendung. Zeit, die ich besser hätte nutzen können.
Mit jedem Tag, der verging teilten mehr Menschen Keiras Schicksal. Manche würden vielleicht entkommen, wie Craig, aber dann waren sie nicht viel besser dran. Immer anhaltende Schmerzen waren der Alltag eines Seelengeistes und dazu kam noch, dass er sich normalerweise den Menschen, die er liebte nicht nähern konnte. Sie würden unter Schmerzen zusammenbrechen oder sogar ohnmächtig werden. Ich war inzwischen eine Ausnahme. Für mich schienen keine normalen Regeln zu gelten. Ich schien sie eher noch außer Kraft zu setzen oder mit dem extremen Gegenteil zu beweisen. Denn so sagte man doch, Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich war eine Ausnahme. Langsam vermutete ich, dass ich nicht nur eine Ausnahme unter den normalen Menschen war, sondern auch eine Ausnahme unter den Mitgliedern des Ordens von Alverra. Ich murrte jedes Mal, wenn Craig sich mit dem Untergehen der Sonne räusperte und mich vielsagend anstarrte. Ich hatte mehrere Male versucht mich dagegen aufzulehnen, viel machen, um mich aufzuhalten, konnte er ja nicht. Der Blick, den ich dann immer im Rückspiegel sah, provozierte die Erinnerung an Keiras vorwurfsvollen Blick. Sie würde mein jetziges Verhalten nicht gerade gut finden.
Ich versuchte mich zu bessern und lenkte jeden Abend brav an den Straßenrand. Die Nächte waren inzwischen merklich kühler geworden und die Sonne suchte immer früher ihr Versteck hinter dem Horizont auf. Ich verkroch mich jede Nacht in meinen Schlafsack und warf mir dann noch Keiras über. Ich hatte ihre Tasche nicht angefasst. Sie lag noch völlig unberührt dort, wo Keira sie verstaut hatte. Alleine sie anzusehen, war etwas, das ich zwanghaft versuchte zu vermeiden. Das Einzige, was ich nicht aus den Augen ließ und immer bei mir trug, ob es nur zum Beine vertreten war oder zum Einkaufen in den winzigen Dörfern, war Keiras Schwert. Es war zu einem Talisman geworden. Zu einem Symbol und zu einem stummen Freund, der mich stets an meine Aufgabe erinnerte und die Opfer, die sie bis jetzt schon gefordert hatte.
Craig war ein Trost, der mir zugleich einen weiteren Grund zur Traurigkeit gab. So sehr er für mich da war, so weit war er zugleich weg. Einen Menschen, den man liebte, einfach nicht anfassen zu können, ging über jede körperliche Folter hinaus. Mein Herz machte jedes Mal einen freudigen Sprung, wenn ich sein Gesicht sah und zog sich doch stets sehnsüchtig zusammen. Wieder einmal war mir das Gefühl der Zerrissenheit nur zu vertraut. Ich konnte diesem Zustand einfach nicht entkommen. Er schien mir anzuhaften und immer wieder einen Weg zu finden, von mir Besitz zu ergreifen. Oft überprüfte ich, ob meine Seelenenergie noch war, wo sie sein sollte. Ich fürchtete den Tag zwar nicht, da sie sich wieder lösen würde, aber es war dennoch kein gutes Gefühl nicht zu wissen, wann es passieren könnte.
Meine Träume spielten sich immer noch auf der Klippe ab, nur war es nicht mehr Craig, der mich dort erwartete. Immer, wenn ich seinen silbrigen Rücken entdeckt hatte, war eine tiefe Ruhe in meinen aufgebrachten Geist eingekehrt. Jetzt war es anders. Es war nicht nur ein Rücken, sondern viele Hunderte, die mich verlässlich dort empfingen. Sobald sie meine Anwesenheit spürten, drehten sie sich alle völlig synchron zu mir um. Obwohl ich seit dem ersten dieser Träume wusste, was ich sehen würde, erschütterte es mich jedes Mal wieder bis tief ins Mark.
Ich sah mich einem Meer gesichtsloser Seelengeister gegenüber. Seelengeister, die ich nicht hatte retten können und Seelengeister, die ich noch nicht retten konnte. Trotz fehlender Gesichtszüge fühlte ich ihre anklagenden Blicke. Blicke, die mich ermahnten nicht zu vergessen, was auf dem Spiel stand. Meist fuhr ich gepeinigt aus meinem
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