Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
flüsterte ich leise meiner eigenen Erinnerung zu.
Ein Ruck zerrte an meinen Körper und setze dem freien Fall ein abruptes Ende. Die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst und meine Rippen protestierten gegen einen heftigen Druck. Erschrocken riss ich die Augen auf. So fühlte sich ein Aufprall sicher nicht an. Ich sah auf einen gefiederten Bauch von einem Tier, das ungeheuerlich groß sein musste. Scharfe Krallen umschlangen meinen Körper und hatten so meinen Sturz beendet. Ich konnte es nicht glauben. Der riesige Vogel, dessen Federn mir vertraut vorkamen, trug mich mit kräftigen Flügelstößen die tödliche Felswand empor. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Es war einfach unbegreiflich. Wie hatte dieser Vogel nur gerade zum richtigen Moment auftauchen können? Ich betrachtete weiter den Bauch und bewunderte das schöne Rotbraun seiner Federn. Allmählich vervollständigte ich das Bild des Vogels in Gedanken. König Realdin. Er war mein Retter. Der Wächter von Keiras Familie. Er war gekommen, um mich zu retten. Wieder einmal hatte Keira mir indirekt das Leben gerettet. Sollte ich meine Freundin je wieder sehen, würde ich für immer in ihrer Schuld stehen. Realdin schien mein Gewicht keine besonders große Mühe zu bereiten. Er glitt durch die Luft, so anmutig, wie es einem Adler zustand. Es dauerte nur wenige Minuten, bis Realdin den Gipfel des Berges erreichte. Er trug mich über die Kante und ich sah die breite Graslandschaft, die sich vor mir ausbreitete. Vorsichtig lockerte Realdin den Griff um meinen Körper und ließ mich auf den Boden sinken. Ich rollte mich zur Seite und blieb keuchend liegen. Ich war noch überwältigt von der Tatsache, dass ich wirklich noch lebte.
»Janlan! Bist du in Ordnung?«
Ich drehte mich schnell zur Seite und sprang auf meine Füße, als ich Craigs besorgtes Rufen hörte. Er rannte von der Kante auf mich zu und blieb nur wenige Zentimeter vor mir stehen.
»Ihr fehlt nichts«, antwortete Realdin in seiner erhabenen Stimme. Der riesige Adler stand neben uns und musterte mich mit seinen klugen Augen. Ich schenkte Craig einen langen tiefen Blick, dann ging ich zu Realdin. Ich verneigte mich vor dem edlen Tier und legte ihm dann meine immer noch verbundene Hand auf den beeindruckend großen Schnabel. Realdin schloss bei der Berührung kurz die Augen. Ich hatte das Gefühl, etwas sehr Vertrautes zu berühren.
»Ich danke dir, Realdin. Du hast mir das Leben gerettet.«
Seine goldenen Augen ruhten auf meinem Gesicht. Sie trugen die Spuren von vielen Jahrhunderten. Auch in ihnen lag etwas Vertrautes. Es war nicht, dass ich ihn kannte. Es war etwas anderes. Etwas Neues, was ich in der Spalte in den Bergen Turians nicht gesehen hatte. »Woher wusstest du, dass ich Hilfe brauchte?«
Ich betrachtete den riesigen Adler prüfend. Er breitete seine immensen Flügel aus, nur um sie dann gleich wieder anzulegen.
»Ich wurde geschickt.«
Ich zog verwundert eine Augenbraue hoch und musterte den Adler noch genauer.
»Wie meinst du das? Wer hat dich geschickt?«
Craig stand mittlerweile neben mir und sah genauso verwirrt aus wie ich.
»Ein Kanterra.«
Das war nicht wirklich eine Antwort auf meine Frage. Zumindest nicht die genaue, die ich haben wollte.
»Keine der Kanterras lebt mehr.«
Das war auch nicht ganz richtig. Keiras Vater war noch am Leben. Oder er war es gewesen, als wir Amalen verlassen hatten. Ich hoffte, dass er es immer noch war und dennoch konnte ich mir nicht vorstellen, dass er Realdin geschickt haben sollte. Zumindest wüsste ich nicht wie. Ich war mir nicht einmal sicher, ob Mister Kanterra wusste, dass Keira eine Schützerin gewesen war. »Also, wer ist es gewesen?«
Realdin schüttelte verärgert sein Gefieder.
»Das kann ich dir nicht sagen Janlan Alverra. Die Verbindung zwischen einem Wächter und seiner Familie ist einzigartig und geheim. Ich bitte dich um Verständnis.«
Ich wollte wirklich nur zu gern wissen, von wem Realdin geschickt wurde, aber eine Antwort würde ich von ihm ganz offensichtlich nicht bekommen.
»Natürlich. Bitte verzeih Realdin. Ich bin froh, dass du es rechtzeitig zu mir geschafft hast.«
Der Adler senkte seinen riesigen Kopf, wie zu einer Verbeugung und breitete dann erneut seine Flügel aus.
»Es war mir eine Ehre. Ich werde euch nun verlassen. Ich bin schon zu lange von den Bergen Turians getrennt gewesen. Wir Wächter verlassen sie normalerweise nie. Ich hoffe, unser nächstes Wiedersehen, findet unter ruhigeren Umständen
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