Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
sicherlich würde ich nicht ganz so sehr frieren wie unter dem Felsvorsprung. In der Höhle roch es ein wenig muffig, aber das war nicht weiter überraschend. Die Wände fühlten sich kalt und nass an, ein Schauern überkam mich, als ich jene Wände vor mir sah, die sich genauso angefühlt hatten. Mein persönlicher Kerker. Der Kerker, in dem ich gelernt hatte, Unerträgliches zu ertragen. Ich wandte meinen Blick instinktiv von den Wänden ab, um mich vor der Erinnerung zu schützen. Meine Augen fielen auf Craig und sofort war die düstere Erinnerung aus meinen Gedanken verschwunden. Erneut wurde mir bewusst, dass Craig wirklich eine Art Ausgleich sein musste. Ich lächelte ihn an und er erwiderte es mit seinem breiten jungenhaften Grinsen, das auch stets in seinen Augen funkelte. Das Lächeln, was ich so mochte.
»Alles okay?«, fragte er unsicher. Er hatte wohl den Schmerz der Erinnerung in meinen Augen gesehen. Ich bezweifelte, dass ich den Ausdruck je ganz aus ihnen würde vertreiben können. Ich lächelte wieder und versuchte, damit seine Sorge beiseite zu wischen.
»Mir fehlt nichts. Alles in Ordnung.«
Ich glaubte mir selbst nicht wirklich, aber eine bessere schauspielerische Leistung brachte ich jetzt nicht fertig. Ich war ein wenig dankbar, dass er bei der Dunkelheit in der Höhle wohl kaum besonders gut mein Gesicht erkennen konnte.
»Janlan, versuch es gar nicht erst.«
Verwirrt unterbrach ich das Einrichten meines Lagers und sah in sein schimmerndes Gesicht. Auch wenn meins womöglich nicht gut zu sehen war, seins dagegen war so klar wie das Wasser aus einer unberührten Quelle.
»Was meinst du?«
Inzwischen hatte ich sämtliche Decken ausgebreitet und zog gerade meinen noch dickeren Fließpulli aus meinem Rucksack. Schnell zog ich den Pulli, den ich jetzt trug, aus. Ich wollte mich nicht unnötig lange der Kälte aussetzten. Craigs Blick wich nicht eine Sekunde von mir, wobei er allerdings immer auf mein Gesicht gerichtet blieb. Sämtliche Härchen auf meinen Armen und in meinem Nacken stellten sich auf, als der Wind über meine weitestgehend nackte Haut streifte. Ich schüttelte mich unwillkürlich, als ich mich in der Wärme des kuscheligen Pullis wiederfand. Ich sah erst wieder zu Craig auf, als ich mich in die Schlafsäcke, die ich immer zu Decken ausbreitete, eingerollt hatte. Ich spürte, wie ein wenig Wärme zurück in meinen Körper kroch. Der Unterschied zu der Nacht unter dem Felsvorsprung war mehr als deutlich.
»Mit dir ist nicht alles in Ordnung, also versuch nicht, mir das weiszumachen.«
Er musterte mich tadelnd und ließ mich nicht aus seinem Blick entkommen. Ich biss mir auf die Lippen. Eine weitere Lüge oder eher ein weiterer Täuschungsversuch würde sicher auch nicht zum Erfolg führen.
»Es ist nur…«, ich hielt inne. Ich fühlte mich immer noch nicht so wohl dabei, über das Geschehene im Kerkerraum zu reden. »Ich musste an Solem denken.«
Ich sagte nicht direkt, was ich meinte, aber an der Veränderung in Craigs Augen, erkannte ich, dass er genau wusste, woran ich gedacht hatte. Ich sah, wie Mitleid in seine Augen kroch.
»Es ist nichts weiter«, sagte ich schnell und wandte meinen Blick ab. Um mich abzulenken oder eher um der unangenehmen Stille zu entkommen, zog ich die Decken enger um mich. Von meinem Gesicht waren nur noch meine Nasenspitze und meine eisblauen Augen zu sehen. Der Rest war vergraben unter der wohlig warmen Daunenschicht. Ich schloss die Augen und versuchte, die erneut aufsteigende Erinnerung mit dem Gedanken an das Ewige Tal zu verdrängen. Ich rief mir jedes Detail zurück ins Bewusstsein und bildete mir ein, sogar das Lied des Singenden Baumes wieder zu hören. Ich öffnete erschrocken die Augen, als ein Stechen meinen ganzen Rücken befiel. Es war, als würden Tausende von Akkupunkturnadeln auf einmal in meinen Rücken gestochen. Ich unterdrückte das Keuchen. Ich kannte diesen Schmerz. Einzig und alleine sein plötzliches Eintreten hatte mich kalt erwischt. Ich wandte vorsichtig meinen Kopf, nur um direkt in Craigs silbrige Augen zu sehen. Er saß ganz nahe bei mir. Fast so, als würde ich an seiner Brust lehnen. Ich lächelte ihn liebevoll an. Es war seine Geste der Fürsorglichkeit. Er wollte mir das Gefühl der Nähe geben, das ich jetzt gerade so brauchte. Ich konnte die Wärme seiner Haut nicht spüren, aber ich war recht erfolgreich darin, sie mir vorzustellen. Es war einfach und das Stechen der Nadeln war zu einem dumpfen Pochen
Weitere Kostenlose Bücher