Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
drückte mir den Dolch in die freie Hand. Sie zeigte mir ein paar der Bewegungen. Meistens sollte ich versuchen unter ihren – natürlich leicht geführten – Angriffen wegzutauchen oder sie mit gekreuzten Dolchen aufzuhalten. Immer wieder hielt sie an, um mir eine Bewegung genau zu erklären. Im Ausweichen war ich gar nicht so schlecht, auch wenn ich es mir manchmal gelang, indem ich aus Versehen stolperte. Ich war besser als ich erwartete, aber selbst mit jahrelangem Training würde ich nicht an Keiras Künste herankommen. Die Schwerter, die edel verziert waren und sicherlich das Wertvollste, was ihre Familie besaß, waren wie eine Verlängerung ihres Armes. Ich hatte das Standlicht des Mustangs angeschaltet. Eine halbe Stunde würde die Batterie schon aushalten. Keiras Schwert zuckte von links auf mich nieder, mit einer ungewöhnlich anmutigen Bewegung tauchte ich untendrunter weg und wirbelte um Keiras Rücken. Vor Überraschung ließ ich glatt einen der Dolche fallen. Super! Keira lachte. Mit einer – für mich viel zu schnellen – Bewegung war sie hinter mir und schlug mir auch noch den verbliebenen Dolch aus der Hand. Es bereitete ihr sichtlich Freude mich zu verprügeln, auch wenn sie mich natürlich nicht verletzte.
»Sagte ich nicht, du sollst sie festhalten?«
Die Klinge war nur eine Hand von meiner Kehle entfernt. Auch wenn sie nie näher kommen würde, war es doch unfassbar unangenehm.
»Keira!«, sagte ich dennoch ein wenig unsicher.
Die Klinge wackelte, so sehr musste sie lachen.
»Ich muss zugeben, ich hatte erwartet, dass du deine Dolche mehr als achtmal fallen lässt.«
Ich seufzte erleichtert auf, als das silberne Metall aus meiner Sicht verschwand.
»Du warst gut.«
So wie sie es sagte, klang es nicht wie ein Kompliment, sondern wie ein Weltwunder. »Überrascht?«, fragte ich spöttisch.
Sie lachte, »Oh ja.«
Naja, ich nahm es ihr mal nicht übel. Ich war ja selbst mehr als überrascht. Ich würde einem Seelensammler jetzt wenigstens nicht völlig hilflos gegenüberstehen. Keira schien ganz in ihrem Element. Als wäre sie dafür geboren. Etwas an diesem Gedanken kam mir gar nicht so unlogisch vor. Was genau wusste ich nicht. Der Gedanke an sich schien einfach nicht falsch zu sein. Keira wollte nicht, dass wir beide gleichzeitig schliefen. Selbst als ich ihr versicherte, dass keine Seelenjäger in der Nähe waren.
»Ich werde trotzdem aufpassen. Wenn ich zu müde werde, kannst du übernehmen.«
Ich hatte keine Lust mit ihr zu streiten. Also legte ich mich hin und schlief.
Ein Zerren an meinem Ärmel riss mich aus dem Schlaf.
»Was ist?«
»Glaub es oder nicht, aber ich brauche auch ein wenig Schlaf.«
Die Bissigkeit ließ keinen Zweifel, dass sie wirklich dringend Schlaf brauchte. Keira in müdem Zustand war keine besonders angenehme Gesellschaft.
»Den hättest du ja haben können.«
Ich war keine angenehme Gesellschaft, wenn man mich zu früh weckte. Mürrisch kletterte ich aus meinem Schlafsack und kroch aus dem Zelt. Ihren wütenden Blick versuchte ich geflissentlich zu übergehen. Ich hatte nicht auf abwechselnde Wache bestanden. Müde und gereizt warf ich umherliegend Steine in die Dunkelheit. Der Himmel war wolkenlos und dementsprechend eisig war auch die Nacht.
Wenn ich schon wach war, konnte ich meine Zeit ja wenigstens einigermaßen sinnvoll verwenden. Ich versuchte nach meinem Wunsch zwischen der Realität und der Seelensicht hin und her zu wechseln. Seelensicht. So hatte ich beschlossen es zu nennen. Keira lag vielleicht doch nicht so daneben, wenn sie behauptete, ich würde in ihre Seele sehen. Immerhin, auf eine Art und Weise tat ich das ja. Ich konnte das Zentrum der Seele und ihre Farbe sehen. Obwohl ich nicht wusste, ob der Farbe eine besondere Bedeutung zukam.
Keira diente mal wieder als Versuchskaninchen. Erst konnte ich nichts sehen. Ich holte den Wunsch hervor, Seelen sehen zu können und konzentrierte mich darauf. Es gelang nicht. Das war also die falsche Herangehensweise. Ich überlegte, was es wohl im Mustang ausgelöst hatte. Ich versuchte Keiras Herzschlag zu hören. Schwachsinn, als ob das aus dieser Entfernung möglich wäre. Ich schüttelte amüsiert über mich selbst den Kopf. Vielleicht war ich auch einfach zu müde und es wollte mir deshalb nicht gelingen. Ich schloss kurz die Augen, das war ja sicher erlaubt, solange ich nicht einschlafen würde. Unbewusst suchte ich in mir selbst nach etwas Neuem, etwas Fremden. Da war ein inneres
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