Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
Signal, das sie aussenden wollte.
Ihre anfängliche Überraschung hatte sich in Unwillen verwandelt, und als sie länger darüber nachdachte, wurde dieser Unwille zu Wut, einer kontrollierten, siedenden Wut, die ihre Angst verdrängte. Sie konnte damit umgehen. Sie würde sich zusammenreißen, wieder hinausgehen und den Rest des Abends genießen. Oder zumindest so tun. Wenn irgendwer sie beobachten sollte, würde er keine Risse in ihrer Abwehr entdecken.
Sie wartete, bis ihr Atem wieder normal ging und ihre Hände nicht mehr zitterten, bevor sie die Kabine verließ. Dann nahm sie sich absichtlich Zeit vor dem Spiegel. Sie kämmte ihr Haar, als hinge die nationale Sicherheit davon ab, dass jede kupferne Strähne an der richtigen Stelle lag, trug eine dünne Schicht von schimmerndem Puder auf und zog ihre Lippen zweimal mit »Wicked Roses«-Lipgloss nach. Erst dann schlenderte sie zurück zu ihrem Tisch, wobei sie auf dem Weg immer wieder lächelnd anhielt und Freunde begrüßte. Sie wirkte so entspannt und gelassen, dass niemand vermutet hätte, wie aufgewühlt sie innerlich war.
Sie teilte sich einen Tisch mit anderen Präsentatoren, von denen die meisten auch irgendwie im Nachrichtengeschäft waren. Das bedeutete, dass es genügend Meinungen und freundliche Diskussionen geben würde, um sich abzulenken, und dafür war sie dankbar.
Sie glitt auf ihren Stuhl neben Jenna Jordan, die eine beliebte Radio-Talkshow moderierte. Sie hatten ungefähr zur selben Zeit angefangen, und Jenna hatte eine Weile für einen konkurrierenden Fernsehsender gearbeitet, bevor sie im Talkradio ihre wahre Berufung gefunden hatte. Eve lauschte einem Monolog von Jenna über Leute, die gleichzeitig Auto fuhren und mit dem Handy telefonierten. Sie brachte jeden am Tisch damit zum Lachen, auch wenn die meisten Anwesenden – inklusive Eve – sich eigentlich schuldig bekennen mussten. Das war Jennas Gabe: Sie brachte die Leute zum Lachen … über sich selbst, über andere, über das Leben.
»Ich meine es ernst. Ich werde Autoaufkleber drucken lassen, auf denen ›Leg auf und fahr‹ steht, und ihr alle bekommt einen«, warnte sie und warf ihr glattes, schulterlanges schwarzes Haar nach hinten.
Als das Lachen verklang und die Gespräche sich anderen Themen zuwandten, drehte sie sich zu Eve und grinste, während ihre dunklen Augen aufgeregt funkelten. Sie waren schon lange befreundet, lange genug, dass Eve wachsam wurde.
Jenna war dramatisch und energiegeladen – eine Frau mit Kurven, die zu allem eine klare Meinung und keinerlei Skrupel hatte, sie laut zu verkünden. Ihre Show wurde zur besten Sendezeit ausgestrahlt. Ihr Ehemann, der auf ihrer anderen Seite saß, unterrichtete klassische Literatur am Brown College. Richard Jordan hatte schütteres braunes Haar und nachdenkliche Augen. Er war das Yin zu Jennas Yang, die Ruhe neben ihrem Sturm. Sie hielten nach zehn Jahren Ehe immer noch Händchen und tauschten heimliche Blicke aus, und einmal hatte Eve sich im richtigen Moment umgedreht, um zu sehen, wie Richard das Unmögliche gelang: Er hatte Jenna etwas ins Ohr geflüstert, das sie erröten ließ.
Wenn sie die beiden zusammen sah, meldete sich ein tiefes Sehnen in Eve, das sie sonst meist verdrängen konnte. Sie hatte ein gutes Leben, ein erfülltes Leben, ein sicheres Leben. Sie hatte es selbst gewählt und hart daran gearbeitet. Aber ab und zu sah sie eine Liebe und Zuneigung bei anderen, von der sie nur träumen konnte, und dann stockte ihr für einen Moment der Atem, und ihr Herz setzte einen Schlag aus, und sie wünschte, sie könnte ihr Leben noch einmal leben.
»Stell dir vor«, sagte Jenna zu ihr, »ich glaube, du hast einen geheimen Verehrer.«
Sofort sah sie das Bild des Mannes an der Anmeldung vor sich und zuckte zusammen. »Wirklich? Wer?«
»Howard.«
Sie entspannte sich. »Howard wer?«
»Howard Wie-heißt-er-noch, du weißt schon, der Finanzbeauftragte des Gouverneurs. Dunkelblonde Haare, eckiges Kinn, nicht allzu klein. Er konnte die Augen nicht von dir abwenden, als du auf der Bühne standst. Und ich habe gehört, wie er jemandem erzählt hat, du hättest Schultern wie Angelina Jolie.«
Jenna zog die Augenbrauen hoch und nickte verschwörerisch. Sie betrachtete sich als begabte Kupplerin und Eve als Herausforderung.
Auf der Bühne stellte Auktionator Ben das Aquarell eines örtlichen Künstlers vor.
Jenna lehnte sich zu Eve und sagte leise: »Ich meine es ernst. Ich glaube, er mag dich.«
»Wie mag er
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