Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
wirkliche Überraschung, dachte Eve mit einer Wehmut, von der sie sich selbst erklärte, dass sie zwar dumm, aber völlig verständlich war. Welche Frau hatte nicht schon davon geträumt, von einem strahlenden Ritter auf seinem Pferd gerettet zu werden, um dann mit ihm davonzureiten? Und der gutaussehende, charmante und galante Hazard war für diese Rolle wie geboren.
»Also war sie in Sie verliebt, auch wenn das umgekehrt nicht der Fall war?«, fragte sie.
»Sie war ebenfalls nicht in mich verliebt. Zu dieser Zeit waren wir Fremde. Ich kam zufällig durch das Dorf, in dem sie lebte, und sie war so erleichtert, vor der Ehe mit einem Mann gerettet zu werden, der ihr Großvater hätte sein können, dass es keine wirkliche Rolle spielte, wer sie rettete.«
»Zumindest zu diesem Zeitpunkt«, wagte sie zu sagen und griff damit die Andeutung von ihm auf.
»Nicht zu diesem Zeitpunkt.«
»Und danach?«
»Danach … veränderten sich die Dinge«, gab er zu. »Aber das hat nichts mit dem zu tun, was passiert ist.«
Eve widerstand der Versuchung, nach Einzelheiten zu bohren. »Also wurden Sie von diesem Hexer verflucht, weil Sie in die Stadt geritten sind, die örtliche Kirche wie einen Stall behandelt haben und mit seiner Braut in den Sonnenuntergang galoppiert sind. Nichts für ungut, Hazard, aber was haben Sie denn erwartet? Dass er Ihnen den goldenen Schlüssel der Stadt verleiht?«
»Ich habe gar nichts erwartet. So weit habe ich nicht vorausgedacht. Tatsächlich habe ich überhaupt nicht gedacht.« Er verzog den Mund zu einem selbstkritischen Lächeln. »Habe ich erwähnt, dass ich zu diesem Zeitpunkt ziemlich beladen war?«
»Beladen?«
»Betrunken«, übersetzte er. »Vollkommen, total besoffen.«
Eve verdrehte die Augen. Soviel zum strahlenden Ritter. »Nein, aber ich hätte es mir denken sollen. Plötzlich ergibt das alles Sinn.«
»Es wäre wohl wahrer, wenn ich sagen würde, dass ich vollkommen, total verkatert war. Betrunken war ich am Abend vorher. Da habe ich im Gasthaus des Orts angehalten und all den Tratsch darüber gehört, was für ein lausiges Schicksal diese arme junge Schönheit erwartete. Es stellte sich heraus, dass ich die Frau am Tag vorher einmal kurz gesehen hatte«, enthüllte er, »in einem anderen Gasthaus, wo sie mit ihrer Tante haltgemacht hatte. Sie war aus London nach Hause gerufen worden, ohne zu wissen, was man mit ihr vorhatte.«
Eve zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Sie meinen, sie hatte keine Ahnung, dass sie verheiratet werden sollte?«
»Keinen blassen Schimmer. Ihr Vater hatte schwere Schulden bei dem ranzigen alten Windbeutel, dem der größte Teil des Dorfs und so gut wie alles in der näheren Umgebung gehörte, und er hatte vor, sie zu benutzen, um seine Schulden zu begleichen.«
»Das ist widerwärtig«, rief Eve. »Und außerdem illegal.«
Er zuckte mit den Achseln. »Und noch wichtiger, es ging mir besonders gegen den Strich. Ich habe eine gefährlich niedrige Toleranzschwelle für geile alte Böcke, die Frauen ausnutzen, nur weil sie es können. Die sie benutzen und dann wegwerfen, als wären sie nicht mehr als die Zeitung von gestern.« Das eisige Glitzern in seinen Augen unterstrich das Wort ›gefährlich‹. Eve hatte keinen Zweifel daran, dass er über etwas Ernsteres redete als einen kleinen Wutanfall.
»Ein paar Krüge Bier später beschloss ich, dass jemand etwas gegen das Schicksal des Mädchens unternehmen musste«, fuhr er fort. »Am nächsten Morgen wachte ich auf dem Boden der Kneipe auf, und die Idee spukte noch immer durch meinen schmerzenden Schädel. Und bevor ich wirklich wusste, was ich tat, war ich derjenige, der etwas unternehmen musste.«
Eve konnte nicht anders: Sie war beeindruckt. Er sprach darüber, wie er sich für eine Frau einsetzte, deren eigene Familie sie verkauft hatte und die für ihn eine vollkommen Fremde war. Wer tat so etwas? Ihr fiel keine einzige Person ein, die sie kannte, die es wagen würde – egal ob betrunken oder nüchtern –, eine so tollkühne, leichtsinnige, anmaßende, aber irgendwie auch beeindruckend noble Nummer durchzuziehen. Hazard war einzigartig – davon war sie überzeugt. Sie war sich nur noch nicht sicher, auf welche Weise einzigartig.
»Das ist eine erstaunliche Geschichte«, erklärte sie. »Und was Sie getan haben, war sehr mutig. Impulsiv, aber mutig. Eigentlich hatten Sie Glück, dass er Sie verflucht hat, statt sie auf der Flucht einfach in den Rücken zu schießen.«
»Hätte er
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