Das Amulett
mit dem König?«
»Katastrophal«, stieß Phelyne im Vorbeigehen aus. Als sie bereits einige Schritte an Sarphin vorbei war, drehte sie kurz den Kopf. »Komm mit, du musst das hören.«
Sarphin stutzte. Es war unüblich, Berichte im Beisein weiterer Kleriker vorzubringen. Phelynes Geschichte musste demnach außerordentlich wichtig sein ...
Ordensvorsteher Fylgaron blickte die beiden Kleriker neugierig an, die sein Amtszimmer betraten. Mit Phelyne hatte er gerechnet, dass Sarphin sie begleitete, empfand er jedoch als äußerst ungewöhnlich. Phelyne war eine der ergebensten Dienerinnen der Kanduri , denen Fylgaron je begegnet war, weshalb er nicht sofort aufsprang und sie für diesen Bruch des Protokolls maßregelte. »Was ist der Grund für euer ungewöhnliches Handeln?«, fragte er stattdessen.
Phelyne postierte sich vor Fylgarons Schreibtisch und riss sich schwungvoll den Hut vom Kopf. Dann fuhr sie sich mit der Linken durch den kurz geschnittenen, braunen Haarschopf und straffte die Haltung. »Die Dinge geraten außer Kontrolle«, begann sie.
»Inwiefern?«, fragte der Ordensvorsteher.
»Der König ist im Bunde mit einem Magier namens Gordan. Er hat uns die Existenz eines Paladins verschwiegen und lehnt unseren Orden weiterhin ab!«, sprudelte es aus ihr hervor.
Fylgaron hob beschwichtigend die Hände. Was er von ihrem Redeschwall verstanden hatte, hörte sich Besorgnis erregend an. »Beruhige dich erst, mein Kind«, sagte er in väterlichem Tonfall. »Und dann noch einmal von vorne – aber langsam.«
Phelyne nahm sich die Zeit, tief durchzuatmen und die Gedanken zu ordnen. Dabei musterte sie den Ordensvorsteher eingehend. Fylgaron trug eine schlichte weiße Robe mit einem grünen und einem gelben Ärmel, den Farben des Götterpaares Alghor und Magra. Seine Augen saßen unter wulstigen Brauen und wurden von hervorstehenden Wangenknochen eingerahmt. Das bereits ergraute Haar – Fylgaron zählte kaum mehr als vierzig Jahre – trug er kurz geschoren. Seine Haut war blass, was davon zeugte, dass er die Ordensfestung nur selten verließ. Seine Finger hatten die Form von Trommelschlägeln und schlugen in einem langsamen Takt mit den Spitzen aufeinander.
»König Jorgan lehnt es weiterhin ab, ein Mitglied unseres Ordens dauerhaft in der königlichen Kathedrale zu begrüßen. Er duldet uns zwar in Berenth, stellt sich jedoch nicht offen auf unsere Seite«, wiederholte sie schließlich.
»Nun, das war zu erwarten, nicht wahr? Jorgan war noch nie überzeugt von unseren Beweggründen. Er ist allerdings auch kein Ungläubiger. Der König weiß um die Götter und ihre Bedeutung. Er wird uns keine Schwierigkeiten bereiten. Was meinst du, Bruder Sarphin?«
Sarphin, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, trat nun ebenfalls an den Tisch und blickte abwechselnd seinen Ordensvorsteher und Phelyne an. »Ich teile deine Einschätzung, Bruder Fylgaron«, sagte er schließlich.
Phelyne verfluchte sich in Gedanken dafür, Sarphin mitgenommen zu haben. Er war ein gläubiger Mann, ein vorbildlicher Kleriker, jedoch auch ein rückgratloser Schwächling. Phelyne hatte gehofft, er würde sie unterstützen und Fylgaron auffordern, den Orden stärker in der Gesellschaft Berenths zu verankern.
Fylgaron gestattete sich ein flüchtiges, überlegenes Lächeln. Phelyne war eine hervorragende Klerikerin. Sie besaß ein untrügliches Gespür für Ketzerei und Verrat. Viele Ungläubige hatte sie bereits bekehrt oder erlöst. Aber sie war zu hitzköpfig. Ihr Hang zu unüberlegten Taten würde sie eines Tages in eine ausweglose Lage bringen, vermutete Fylgaron. Sich offen gegen den König zu stellen, käme einem Kampf auf verlorenem Posten gleich. »Fahr fort mit deinem Bericht«, forderte er sie nach einer Pause auf.
»Jorgan gewährt einem Magier Unterschlupf.«
»Hat er seinen Namen genannt?«, erkundigte sich Sarphin.
»Ja. Er behauptet, Gordan zu sein«, antwortete Phelyne. Bei der Erwähnung des Namens sog Sarphin hörbar die Luft durch die Zähne ein.
Der Klerikerorden war kurz nach dem Tod des Hexers Karandras gegründet worden, damals als kaum mehr als der lose Zusammenschluss einiger Fanatiker. Erst über die Jahre hinweg hatte man genug der heiligen Artefakte geborgen, die nunmehr einen Großteil der Macht des Ordens darstellten. Nachdem Gordan ebenso wie viele andere Magier verschwunden war, hatten die Kleriker sich weiter ausgebreitet.
»Er sagte auch, dass Xandor tot sei«, fügte Phelyne hinzu.
Xandor. Einer
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