Das Amulett
Öffentliche Selbstgespräche würden seiner Position wenig förderlich sein. In Gedanken forderte er den Dämon auf, zu warten.
Wir können nicht warten! schrie dieser so laut, dass es Dergeron hämmernde Kopfschmerzen bereitete. Du wirst sofort mit ihm sprechen!
Dergeron begann, um seinen Verstand zu fürchten, wenn er mit Tizir einer zweiten Stimme Einlass gewährte, doch Pharg‘inyon lachte nur spöttisch.
Dir wird nichts geschehen, Mensch!
Schließlich resignierte er und ließ den Magier gewähren. Sogleich fühlte er, wie der fremde Geist sich mit dem seinem verband, wie sie ihre Gedanken teilten. Dergeron wappnete sich innerlich gegen die Verbindung und dachte an Belanglosigkeiten, um seinem neuen Handlanger nicht unfreiwillig zu viel Wissen preiszugeben.
Es ist Gordan , vernahm er nun auch Tizirs Stimme in seinem Kopf, so deutlich, als stünde der Magier neben ihm. Er ist in Berenth!
Pharg‘inyons schallendes Gelächter ließ Dergeron erzittern, doch der Krieger fand rasch die Fassung wieder. Dann wird er noch heute Nacht sterben! Halte dich bereit, Magier. Du bist ein treuer Diener des einzig wahren Gottes!
Ich werde auf Eure Anweisungen warten , sagte Tizir unterwürfig.
Dergeron schloss sorgfältig die Tür hinter sich ab und rüttelte zur Überprüfung noch einmal kräftig daran. Niemand sollte ihn stören. Sein Rang als Kommandant bescherte ihm einige Annehmlichkeiten, darunter drei eigene Zimmer in der Burg, ein Wohn-, ein Arbeits- und ein Schlafgemach. Er setzte sich auf den bequemen, schweren Sessel vor dem Kamin. Der Polsterbezug fühlte sich weich auf seiner Haut an. Graf Totenfels hatte ihm versichert, dass es nur wenige solcher Möbelstücke gab und der Wert vergleichbar mit dem einer kleinen Kutsche sei, was Dergeron ihm glaubte. Noch selten hatte er so gut gesessen wie auf diesem Sessel, wenngleich sein Behagen rasch in den Hintergrund rückte, als er über die bevorstehenden Ereignisse nachzudenken begann.
Pharg‘inyon wollte ihn benutzen, um für kurze Zeit dem Gefängnis des Amuletts zu entrinnen. Tizir sollte als Mittelsmann fungieren, der es dem Dämon schließlich ermöglichen würde, Gordan zu finden. Dergeron wusste nicht, was er sich wünschen sollte – dass der Magier siegte und er selbst damit wieder frei wäre, oder dass Pharg‘inyon die Auskünfte bekäme, die er suchte.
Das Buch Karand . Xandor hatte nur flüchtig davon gesprochen, und Dergeron hatte keine Ahnung, welche Macht ihm das Buch bescheren könnte. Es schien ein Zauberbuch zu sein, doch er selbst war kein Magier – er war ein Krieger und bevorzugte blanken Stahl. Was, wenn das Buch seine Macht dem Dämon im Amulett verliehe und Pharg‘inyon seine Seele auslöschte?
Es beginnt , erklang die schreckliche Stimme des Aureliten. Tizir ist bereit.
Der Krieger erkannte, dass es für ihn kein Zurück mehr gab. Zu sehr hatte er sich der Macht des Dämons bereits hingegeben. Er lehnte sich entspannt zurück und öffnete seinen Geist für den Hass und die Macht der Höllenkreatur. Sofort begann Pharg‘inyons Essenz, durch seinen Körper zu strömen. Dergeron spürte, wie sein eigenes Selbst stetig verdrängt wurde. Innerlich brüllte er vor Schmerz und Angst; er fürchtete um seine Seele, sein Leben. Dergeron tat das Einzige, was ihm einfiel: Er versuchte, sich in sich selbst zurückzuziehen, sich einen kleinen Fleck seiner Seele zu bewahren, den er dem Dämon nicht preisgab, ein schwaches Licht in schwärzester Nacht.
Plötzlich spürte er eine Veränderung. Der Dämon öffnete mit seinem Geist ein Tor in eine fremde Welt ... eine kalte, feindselige Welt. Pharg‘inyon lachte schallend, während weit entfernt der säuselnde Gesang des alten Tizir zu vernehmen war. Dergeron wusste nicht, wie ihm geschah; der Aurelit riss ihn einfach mit sich. Durch ewige Dunkelheit trieben sie, stetig ein gleißendes Licht vor Augen. Kälte kroch in Dergerons Glieder, obwohl der Krieger wusste, dass er noch immer vor dem prasselnden Kaminfeuer seines Wohnraumes saß.
* * *
Das Mahl wurde in König Jorgans persönlichem Esszimmer gedeckt. Gordan hatte ihn um möglichst wenig Aufhebens ersucht. Jorgan hatte der Aufforderung Folge geleistet, weshalb sie nur zu sechst speisten. Als Kommandant Cordovan erfuhr, dass mit Phelyne eine Klerikerin anwesend sein würde, hatte er darauf bestanden, selbst an dem Essen teilzunehmen, wenngleich Jorgan auf weitere Wachen verzichtete.
Cordovan vertraute dem Klerikerorden nicht und hatte es
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