Das Amulett
Magierin ein. Sie schob geschwind den Riegel vor und trat mit offenen Händen näher.
»Ah, die liebreizende Alynéa beehrt mich mit einem Besuch«, säuselte Dergeron.
»Spar dir die Förmlichkeiten, Dergeron. Was ist das für ein Artefakt, das du bergen willst?«, fragte sie ohne Umschweife.
Dergeron entging der scharfe Unterton in ihrer Stimme keineswegs; innerlich gestattete er sich ein Gefühl tiefster Zufriedenheit über ihren Ärger. Sie hat den Köder geschluckt. »Was kümmert dich das?«
Sie musste mit einer solchen Antwort gerechnet haben, denn ihre Erwiderung erfolgte prompt und überlegt. »Wenn du hinter einem Artefakt her bist, das eine kleine Grafschaft wie Totenfels über das Königreich Berenth emporheben kann, kümmert mich das sehr. Was, wenn du beschließt, es nicht dem Grafen auszuhändigen?«
»Du meinst, wenn ich beschließe, es nicht dir auszuhändigen?«
Sie schenkte ihm ein entwaffnendes Lächeln. »Ich sorge mich nur um den Grafen.«
»Noch bist du nicht die Gräfin«, erinnerte sie Dergeron. »Und selbst dann müsste Totenfels erst sterben, ehe das Land gänzlich dir gehört.« Er beobachtete sie eingehend. Alynéa war sich der Umstände und ihrer Möglichkeiten durchaus bewusst. »Aber vielleicht hast du ja bereits ein Trauerkleid genäht?«, preschte er weiter vor. Er musste herausfinden, wie weit ihre Pläne mit dem Grafen gingen.
Diesmal zeigte sie deutlichere Wirkung und schleuderte ihm einen wütenden Blick zu. »Hüte deine Zunge, Kommandant .« Sie spuckte ihm den Titel regelrecht vor die Füße. »Was ist das nun für ein Artefakt? Oder soll ich Totenfels von deinen wahren Plänen berichten?«
Dergeron verzog das Gesicht und fragte gleichzeitig, wie glaubwürdig er dabei aussah. Tatsächlich hätte er sie gern überlegen angegrinst, weil sie ihm so mühelos in die Falle gegangen war. Nun brauchte er Alynéa nur noch in dem Glauben zu lassen, sie könnte einen Sieg über ihn erringen, indem sie sich der Bergung anschloss. »Ein altes Artefakt, weiter nichts«, antwortete er gespielt beiläufig.
Sie kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und musterte ihn misstrauisch. »Was für ein Artefakt?«
»Ein mächtiges«, erwiderte er ausweichend.
»Langweil mich nicht mit deinen halbherzigen Versuchen, das Geheimnis vor mir zu bewahren!« Einen kurzen Augenblick verlor Alynéa die Fassung.
Darauf hatte Dergeron gewartet. »Das tut nichts zur Sache.« Er schürzte die Lippen und tat, als würde er einer plötzlichen Eingebung folgen. »Ich könnte allerdings deine Hilfe gebrauchen.«
»Du willst mir nicht verraten, worum es geht und dennoch soll dir helfen?« Ihre geheuchelte Entrüstung vermochte nicht, über ihre Neugier hinwegzutäuschen.
»Beherrschst du die Fähigkeit, Menschen an andere Orte zu versetzen?«, fragte Dergeron offen heraus.
Alynéa zögerte mit einer Antwort. Dergerons Hochmut reizte sie bis aufs Blut. Was bildet sich dieser Emporkömmling ein? Totenfels würde ihr gehören. Dergeron hatte gute Vorarbeit geleistet, aber nun war seine Zeit vorüber. Was immer er in den Todfelsen bergen wollte, es würde ihr gehören. In Windeseile schmiedete die Magierin einen Plan. Sollte Dergeron ruhig denken, dass sie ihm half. Im Gebirge würde sie sich seiner entledigen. Sie musste an sich halten, um ein hämisches Grinsen zu verbergen; stattdessen setzte sie eine unverbindliche Miene auf. »Ja, ich kenne einen solchen Spruch. Allerdings brauche ich ein Ziel, eine Aura, die ich als Wegweiser durch den Astralraum nutzen kann.«
»Ich weiß, wo ein solcher Anker zu finden ist«, sagte Dergeron zufrieden. »Wann kannst du bereit zum Aufbruch sein?«
»Ich muss mich noch von Totenfels verabschieden«, erwiderte sie.
»Dann also morgen«, verkündete er. »Bei Sonnenaufgang.«
Alynéa nickte und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Dergeron war überzeugt davon, dass sie dem Grafen eine glaubhafte Begründung für ihre Beteiligung an der Suche auftischen würde.
Sie hatte den Köder geschluckt und war ihm ins Netz gegangen.
»Haltet Ihr es für klug, sie mitzunehmen?«, fragte Bengram besorgt. Er wusste um das verworrene Geflecht aus Lügen und Intrigen, in das sich Dergeron und Alynéa verstrickt hatten, zumal er selbst einen Teil davon verkörperte. Aber der Magierin eine so günstige Gelegenheit zu bieten, sich des Kommandanten zu entledigen, erschien ihm leichtsinnig.
»Fürchtest du, sie könnte sich gegen uns wenden?«, fragte Dergeron
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