Das Amulett
Anwesenden zum Verstummen. »Grunduul hat dich leider Vieles gelehrt«, sagte er zu Wurlagh. »Wenn diese Versammlung es wünscht, werde ich mich ihrem Urteil nicht widersetzen. Doch«, und dabei blickte er jedem Häuptling einzeln in die Augen, »ich werde zurückkehren. Und ich werde nicht zulassen, dass unser Volk von einem Emporkömmling in die Verdammnis geführt wird.« Die übrigen Häuptlinge versuchten, Ul‘goths Blick standzuhalten, was nur den wenigsten gelang. Der König starrte schließlich wieder auf Wurlagh und sprach die nächsten Worte so leise, dass jeder im Saal gezwungen, war ihm mit ungeteilter Aufmerksamkeit zu lauschen. »Durch Wantois Tod habe ich dich zum Häuptling deines Clans gemacht, Wurlagh. Eines Tages werde ich diesen Fehler beheben.«
Unbemerkt hatte sich ein weiterer Teilnehmer im Saal eingefunden. Der Neuankömmling hatte sich leise an einem der geöffneten Fenster niedergelassen und still die Versammlung beobachtet – nein, vielmehr ihre Teilnehmer. Mit scharfen Augen musterte er jeden Einzelnen, versuchte in ihre Herzen zu blicken. Er wusste, er durfte sich keinen Fehler erlauben.
Seine Augen trafen den Blick eines großen, schlanken Mannes. Mit kurzen, ruckartigen Kopfbewegungen sah der Neuankömmling sich noch einmal um, dann nickte er zufrieden. Dieser schlanke Mann schien unter den Anwesenden am geeignetsten.
Vorsichtig hüpfte der Rabe unter dem neugierigen Blick des Mannes näher heran. Er gelangte auf einen Fackelhalter und brachte den Schnabel ungefähr auf Kopfhöhe seiner Zielperson. Sein Meister hatte ihm Verschwiegenheit befohlen.
Er fasste sich kurz, dennoch vergaß er keine wichtige Einzelheit. Als sein Zuhörer entschlossen nickte, sprang er zurück zu dem Fenster, durch das er gekommen war.
Ul‘goth hatte seinen Satz gerade beendet, als der Rabe plötzlich krächzend vom Fenstersims abhob und in den strahlenden Tag verschwand.
»Der Rabe ist der Beweis!«, rief Wurlagh euphorisch. »Der Bote des Wandels selbst hat uns gezeigt, dass Ul‘goths Herrschaft zu Ende ist!«
Ein tiefes Raunen ging durch die Menge der versammelten Orks. Ul’goth verzog das Gesicht, denn er wusste, dass sein Gegenspieler gerade einen gewichtigen Trumpf ausspielte.
»Ihr könnt es nicht leugnen!«, fuhr Wurlagh eindringlich fort. »Ul’goth hat unser Vertrauen verspielt. Hebt die Hand, wenn ihr meiner Meinung seid!«
Er selbst reckte den Arm als Erster in die Luft und blickte die übrigen Häuptlinge auffordernd an. Einige zögerten, doch nach und nach zählte Tharador mehr erhobene als gesenkte Arme.
Ohne Ul’goth an der Spitze kann es keinen Frieden geben , dachte der Paladin und blickte Hilfe suchend zu Faeron. Der Elf erwiderte seinen Blick, doch in ihm lag keine Besorgnis, sondern vielmehr eine freudige Erwartung.
»Mitnichten«, unterbrach Faeron die Versammlung und erhob sich von seinem Stuhl. »Der Bote hat mir lediglich verraten, wo Ul‘goth den geforderten Herrschaftsbeweis finden wird.«
»Wer bist du, Spitzohr, dass du es wagst, hier zu sprechen?«, fragte Wurlagh aufgebracht, befürchtete er doch, dass ihm sein Sieg über Ul‘goth wieder aus den Händen gerissen wurde.
»Seine Herkunft ist unerheblich«, belehrte Ul‘goth den jungen Häuptling. »Er hat gegen Xandor gekämpft und großen Mut bewiesen. Faeron verdient deinen Respekt.«
»Dies ist nicht die Zeit für falsche Eitelkeiten«, sagte Faeron. »Wir müssen sofort aufbrechen. Mit dem gesamten orkischen Heer.«
»Kein Ork darf Ul‘goth bei seiner Aufgabe helfen!«, warf Wurlagh siegessicher ein, denn noch überwog die Zahl der Häuptlinge, die seinen Antrag unterstützen, wenngleich ihre Zahl schrumpfte. Schon jetzt war die Abstimmung beinah unentschieden, was katastrophal für Wurlagh wäre. Bei einem Gleichstand wäre Ul’goth weiterhin König und hätte jedes Recht, Wurlagh für die geäußerten Zweifel zu richten.
»Ich bin kein Ork«, entgegnete Faeron und lächelte spitzbübisch. »Ich darf ihn begleiten.«
Ul‘goth dachte über die Worte des Elfen nach und nickte dann zustimmend. »So sei es denn. Die Versammlung hat beschlossen. Ich werde meine Herrschaft erneut beweisen. Ich verlasse euch als euer König, und ich werde als euer König zurückkehren!« Wurlagh konnte sein Grinsen kaum verbergen, doch es erlosch augenblicklich, als Ul‘goth fortfuhr: »Allerdings ist es mein Recht, einen Statthalter zu ernennen. Da ich keine Söhne habe, darf ich ein männliches Mitglied meines Clans
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