Das Amulett
und wären gewarnt. So würde alles nur noch schwieriger. Manchmal ist Magie eben nicht der Schlüssel , dachte er einen Satz, den Malvner häufig zu sagen pflegte.
Gordan verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zur Decke empor. Malvner war tot. Wenn Dezlots Ausführungen stimmten – woran der alte Magier nicht zweifelte –, dann hatte nicht Xandor den guten Malvner getötet, sondern ein anderer Magier, was eine sehr beunruhigende Neuigkeit war. Er musste herausfinden, ob dieser fremde Magier Malvners Kraft geraubt hatte.
Gordan wurde von einer plötzlichen Schwäche befallen und musste sich schwer gegen eines der großen Bücherregale stützen. »Noch nicht«, presste er unter zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich kann noch nicht gehen.«
Es dauerte nur einige Augenblicke, doch Gordan wusste, dass er in diesem Moment einen weiteren Teil seiner Kraft eingebüßt hatte. Vor seinem inneren Auge zogen zum unzähligsten Male die Bilder des Kampfes mit Xandor vor so vielen Jahren vorbei. Xandor hatte ihn nach dem Sieg gegen Karandras überrascht. Gordan hatte nicht damit gerechnet, dass sein einstiger Schüler sich derart gegen ihn wenden würde. Xandor hatte ihm einen Blitz in den Rücken geschleudert; Gordan war unweigerlich zu Boden gegangen. Er hatte sich wieder auf die Beine gestemmt und den nächsten Zauber abgewehrt, doch diese erste heimtückische Attacke Xandors sollte ihren Kampf schließlich entscheiden.
Am Ende sah Gordan seine Niederlage ein und hatte mit einem Zauberspruch seine magischen Kräfte vor Xandors gierigen Griffen versiegelt. Somit hatte sein Schüler ihn für tot gehalten. Xandor war nach dem Kampf sehr geschwächt gewesen, und als Faeron plötzlich aufgetaucht war, hatte er die Flucht ergriffen. Faeron hatte Gordan geholfen, den Zauber zu wirken, der sie beide in Alirions Wald gebracht hatte.
Der Elfengott hatte ihn gerettet, doch nicht ohne Preis. Von jenem Moment an war Gordan von der Macht der Elemente und der Macht der Kanduri durchströmt gewesen. Alirion konnte nicht riskieren, dass eine solche Macht in die Hände Xandors fiel, deshalb hatte er Gordan verboten, den Wald der Elfen je wieder zu verlassen – dafür erhielt der Mensch allerdings auch das Geschenk der Unsterblichkeit.
Als Gordan vor wenigen Monden gezwungen gewesen war, Tharador aus den Minen in den Todfelsen zu retten, hatte er sein Versprechen dem Elfengott gegenüber gebrochen. Xandor hatte ihn in den Minen erneut verletzt, und Alirion hatte Gordan gestattet, sich im Wald zu erholen.
Xandors Tod hatte Gordans Schicksal besiegelt; er musste den Wald der Elfen verlassen die Unsterblichkeit hinter sich zurücklassen. Nun befand er sich in der sterblichen Welt und hatte seine Lebensspanne um viele Jahrhunderte überschritten. Noch vermochte die Magie der Kanduri , ihn am Leben zu erhalten, doch sie wurde stetig schwächer. Bald würde sie erschöpft sein, und er würde sterben.
Gordan lächelte. Er fürchtete sich keineswegs vor dem Tod, doch er genoss das Leben. »Vielleicht ist es ja wirklich an der Zeit für mich zu gehen«, sagte er laut und blickte zum Fenster hinaus auf die geschäftige Stadt. Die Orks trafen die letzten Vorkehrungen für die kalte Jahreszeit. Gordan erstaunte, wie schnell sie sich von ihrem Leben als Nomaden an ihr Dasein als Bauern gewöhnt hatten.
»Die Dinge entwickeln sich«, zitierte er den melancholischen Elfen und musste ungewollt lachen. Dann fiel ihm allerdings der junge Clanhäuptling, Wurlagh, wieder ein, der sich seit Ul‘goths Verbannung immer weiter vorwagte. Schon bald würde er Gallak öffentlich angreifen. Gallak war ein guter und tapferer Mann, aber kein König. Sollte Wurlagh die Herrschaft über die militärische Macht der Orks erringen, dachte Gordan, würde einen erneuten Krieg entfesseln. Das stolze Volk der Orks brauchte seinen König mehr denn je.
Getrennte Wege
Je weiter sie nach Süden vordrangen, desto häufiger trafen sie auf zerstörte Häuser und Siedlungen. Die Goblins mussten mit jedem verlassenen Dorf, das sie angetroffen hatten, wütender geworden sein. Faeron war jedoch davon überzeugt, dass die Bewohner stets rechtzeitig entkommen waren, was insbesondere Ul‘goth zu beruhigen schien. Als die Sonne dem Mond wich, erreichten sie die ersten Ausläufer der Trauerwälder.
Knorrige Bäume standen dicht gedrängt und reckten ihre Äste zum Himmel empor. Am Boden wuchsen vereinzelte Büsche und Sträucher, der Boden war von einer dunklen Schicht
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