Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Amulett

Das Amulett

Titel: Das Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan R. Bellem
Vom Netzwerk:
Verkündete Wurlagh seine Niederlage selbst, besiegelte er damit sein Schicksal. Von einem Krieger wurde erwartet, dass er bis zur endgültigen Entscheidung kämpfte, und sei die Lage noch so aussichtslos. Der Grabenkampf endete mit Bewusstlosigkeit oder Tod, nicht aber durch feiges Aufgeben.
    Doch ihm blieb keine Wahl. Um sein Leben zu retten, musste er seine Ehre opfern, seinen Clan verlassen und Ul‘goth in die Verbannung folgen. Nur gäbe es aus seinem Exil keine Rückkehr.
    Er zögerte einen weiteren Moment, ließ sich die Folgen durch den Kopf gehen. Sein Clan würde einen anderen Ork zum Häuptling küren. Seine Kinder würde man töten, seine Gefährtin ... Wurlagh wagte nicht, sich auszumalen, was man ihr antun würde.
    Das Bild seines Vaters flackerte kurz vor seinem inneren Auge auf und verblasste wieder. Wantoi wäre mit stolz geschwellter Brust in den Tod gegangen; er hätte seine Familie niemals entehrt.
    Doch es machte keinen Unterschied, erkannte Wurlagh. Seine Kinder waren zu jung, um den Clan zu führen und sich der ständigen Herausforderer zu erwehren, und Frauen war die Herrschaft untersagt. Seine Familie würde sterben, ganz gleich, wie er sich entschied.
    »Ich habe verloren!«, schrie er aus voller Kehle, damit es alle Anwesenden hören konnten. Ein lautes Raunen ging durch die Menge, denn damit hatte niemand gerechnet. Wurlagh war geschlagen, sein Name entehrt; von diesem Augenblick an galt er als Ausgestoßener.
    Gallak wurde stürmisch von der Menge gefeiert, Wurlagh hingegen von mehreren bewaffneten Orkwachen umringt und vom Rest seines Volkes abgekapselt.
    Man ließ ihm seine Waffe und wärmende Kleidung für den Winter und gab ihm Proviant für mehrere Tage und ein Seil.
    Dann schlurfte er geneigten Hauptes aus der Stadt. Er würde leben, seine Familie jedoch für ihn sterben. Ihren Tod hätte er nicht zu verhindern vermocht, das sein eigenes Leben konnte er retten.
    Ihm blieb nur die Hoffnung auf eine neue Zukunft – und vielleicht eines Tages auf Rache.
    Obwohl Gallak die Arena als Sieger verließ, fühlte er sich im Inneren wie der Verlierer. Wurlagh war von Beginn an kein Gegner für ihn gewesen und sie beide hatten es gewusst. Den jungen Clanhäuptling zu verschonen, war das Einzige gewesen, was der Statthalter für ihn hatte tun können.
    Bereits kurz nach dem Verstummen der Jubelschreie war das erste Kampfgebrüll aus dem Lager von Wurlaghs Clan ertönt. Bald würde sich einer der Krieger die Führung des Clans sichern und die Blutlinie seines Vorgängers auslöschen. Vermutlich waren Wurlaghs Kinder und seine Gefährtin, Urma, schon tot.
    Dies war die Lebensart der Orks, ihre Tradition. Gallak konnte daran nichts ändern. Insgeheim hoffte er, dass Urma weise genug gewesen war, mit ihren Kindern zu fliehen, andererseits gab es eigentlich keinen Ort, wohin sie konnte. Der Winter hatte Einzug gehalten, letzte Nacht waren vereinzelte Schneeflocken vom Himmel gerieselt. Es gab keinen Schutz für Wurlaghs Familie. Surdan würde zu ihrem Gefängnis und letztlich zu ihrem Grab.
    Gordan empfing den Statthalter mit einem verständnisvollen Nicken; Gallak ging wortlos an ihm vorüber.
    »Weshalb ist Gallak so betrübt?«, fragte Dezlot seinen Lehrmeister, nachdem der Ork außer Hörweite war.
    Gordan drehte sich langsam zu seinem Schützling um. »Wie sollte er denn deiner Meinung nach gelaunt sein?«
    »Glücklich«, begann Dezlot unüberlegt. »Immerhin hat er gewonnen.«
    Der alte Magier seufzte hörbar und schüttelte den Kopf: »Und gab es daran je Zweifel?« Als sein Schüler ihn nur verständnislos und mit großen Augen ansah, fuhr er fort. »Gallak war dem viel jüngeren Wurlagh weit überlegen. Dennoch hat Wurlagh diesen Kampf heraufbeschworen. Seine Familie wird in diesem Augenblick von den Emporkömmlingen zerfleischt, die um die Nachfolgerschaft buhlen. Und wozu das alles? Um den Stolz eines dummen Jungen zu brechen, der den Tod seines Vaters nicht verwunden hat!«
    »Aber hat sich Gallak dann mit diesem Gnadenakt nicht selbst geschadet?«
    »Endlich beginnst du, eigenständig zu denken«, lobte Gordan den Schüler und tippte ihm mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. »Ja, es war leichtsinnig, einen Feind wie Wurlagh am Leben zu lassen«, räumte er ein. »Diesmal war der junge Ork kein Gegner für Gallak, aber das muss nicht so bleiben.«
    Gallak stand in der Mitte seines Schlafgemachs. Ul‘goths Schlafgemach. Seit dessen Verbannung und Gallaks Ernennung zum Statthalter hatte

Weitere Kostenlose Bücher