Das Amulett
kniff die Augen bedrohlich zusammen, gab schließlich aber nach und wandte sich zum Gehen. »Vergesst nicht, Shango Tizir. Der Orden der Kleriker wird jede Vorstellung genau beobachten.«
»Ich rechne bereits fest damit«, antwortete Tizir. Dann verließen die beiden ihn, und er eilte in sein persönliches Zelt zurück. Ich muss in der Nähe dieser Kleriker noch vorsichtiger sein , dachte er bei sich.
»War das nötig?«, fragte Cordovan, als sie weit genug von den Gauklern entfernt waren.
»Den Schutz des Königs sicherzustellen?«, erwiderte Phelyne barsch.
»Nein, die Schausteller regelrecht vertreiben zu wollen«, rückte er die Dinge ins richtige Licht.
Sie blieb stehen und sah ihn ernst an. »Berenth ist nicht annähernd so sicher, wie Ihr den König stets glauben lasst«, sagte sie vorwurfsvoll. »Und seit den Ereignissen vor einigen Mondphasen...«
»Was soll sich denn zugetragen haben?«, unterbrach er sie rasch.
»Ordensvorsteher Fylgaron hat eine magische Störung in Berenth entdeckt«, erklärte sie zum wiederholten Mal. »Und es gab einen toten Stalljungen in der Nähe des Palastes. Alles nur Zufall?«
»Euer Orden speist sich von jeher aus solch haarsträubenden Mutmaßungen.« Cordovan machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Irgendetwas Ungewöhnliches ist vorgefallen!«, beharrte sie. »Und der Königshof scheint es sogar noch zu vertuschen.«
»Und deshalb belagert Ihr nun den König mit den Gesuchen eures Ordens?«
»Wir wollen Jorgan schützen!«
»Eure Methoden sind ihm aber meist zuwider. Und mir auch.« Damit ließ er sie stehen und brach allein zurück zum Palast auf.
* * *
Eine Stunde vor Sonnenaufgang wurde Tharador von Faeron geweckt. Sie folgten während der Heimreise einem festen Ritual. Bevor die anderen aufstanden, übten sie gemeinsam den Schattentanz. Faeron führte sie etwas abseits des Nachtlagers, da Khalldegs ständiges Fluchen, nachdem er erwachte, sie stark in ihrer Konzentration störte. Ul‘goth und Daavir hielten stets die letzte Wache gemeinsam und verabschiedeten die beiden Männer mit einem respektvollen Kopfnicken. Der Orkkönig war fasziniert vom Schattentanz und erkannte darin einen ähnlichen Zweck wie in den orkischen Schamanentänzen, bei denen sich die ehrwürdigen Clanältesten durch eine feste Abfolge von Schritten und Sprüngen in einen tiefen Wachtraum versetzten, um so Verbindung mit den Ahnen aufzunehmen. Grunduul hatte stets behauptet, bei einer solchen Vision über Ul‘goth erfahren zu haben, dass die Ahnen ihn beauftragt hätten, den damals jungen Ork zu finden und auf dessen Weg zur uneingeschränkten Herrschaft zu begleiten.
Nachdem Faeron und Tharador über die letzten Tage hinweg immer wieder mit verbundenen Augen gegeneinander gekämpft hatten, um Tharadors Sinne weiter zu schärfen, überraschte der Elf den Paladin: »Heute werden wir nicht gegeneinander, sondern gemeinsam antreten.«
Der Mensch verstand nicht, was sein Lehrer ihm damit sagen wollte, nahm jedoch nach Faerons Aufforderung kampfbereite Grundhaltung ein. Faeron stellte sich neben ihn und ahmte Tharadors Körperstellung nach. »Folg meinen Bewegungen«, sagte der Elf knapp und begann mit einem Ausfallschritt gegen einen imaginären Gegner. Tharador tat, wie ihm geheißen.
Kaum hatte er den ersten Zug beendet, ließ sich Faeron vom eigenen Schwung weitertragen und führte zwei schnelle Schwertstreiche gegen den unsichtbaren Feind. Tharador bemühte sich, auch diesen und alle weiteren Abläufe möglichst genau zu übernehmen.
Sie blockten einen Überkopfhieb ab, gefolgt von einem Rückhandschlag, setzten zu einer Gegenattacke an und parierten einen seitlich geführten Schlag tief vor der eigenen Hüfte. Schon bald bemerkte Tharador, dass ihre eigenen Bewegungen sich immer wiederholten und sie einem festen Muster folgten. Doch nicht nur das, sie wurden mit jedem Durchgang ein wenig schneller, und der Ausfallschritt bildete stets den Beginn ihres Tanzes. Bald schon musste Tharador keinen Gedanken mehr an die eigenen Handlungen vergeuden. Diese neue Freiheit – die Freiheit, nicht denken zu müssen – beflügelte ihn ungemein. Faeron und er erreichten eine Geschwindigkeit der Bewegungen, der nur schwer zu folgen war.
Der Paladin schloss die Augen und verließ sich ganz auf seine übrigen Sinne. Er konzentrierte sich dabei vor allem mehr auf die Bewegungen seines Freundes als auf die eigenen, denn die hatte er vollkommen verinnerlicht. Er hörte, wie Faerons Schwert die
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