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Das Anastasia-Syndrom

Titel: Das Anastasia-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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von Pressevertretern.« Sie wandte sich dem Bild zu. »Ist es nicht faszinierend?« fragte sie. »Wenn man be-denkt, daß es 1640 gemalt wurde, unmittelbar vor der Auflösung des ›Kurzen Parlaments‹ durch den König.«
    Reza Patel betrachtete das Gemälde. Unten auf der Plakette stand: »Unbekannter Künstler. Gemalt schätzungsweise zwischen 1635 und 1640.«

    Judith deutete auf ein stattliches Paar, das neben dem sitzenden König stand. »Die beiden waren ganz außer sich an jenem Tag. Sie wußten, was passieren würde, wenn der König das Parlament auflöste. Lady Margarets Vorfahren waren von Anfang an Abgeordnete. In ihrer Familie gab es damals schreckliche Auseinandersetzungen in bezug auf Loyalität.«
    Patel studierte den Begleittext. Namentlich genannt waren König und Königin, ihr ältester Sohn Karl, Herzog von York, und ein halbes Dutzend Mitglieder der königlichen Familie, die übrigen dargestellten Personen jedoch nicht. »Ihre Recherchen müssen ja hervorragende Resultate gebracht haben«, meinte er.
    »Sie hätten sie den Historikern hier zur Verfügung stellen sollen.«
    Lady Margaret erkannte ihren Fehler – sie hätte Reza Patel nicht von sich und John erzählen dürfen. Abrupt kehrte sie ihm den Rücken und eilte hinaus.
    An der Tür holte er sie ein. »Miss Chase, Judith. Was ist los?«
    Sie starrte ihn unverwandt an. Hochmütig entgegnete sie:
    »Judith ist jetzt nicht da.«
    »Wer sind Sie?« drängte er. Alarmiert entdeckte er die grellrote Narbe an ihrer rechten Hand.
    Sie deutete auf das Bild. »Das sagte ich Ihnen bereits. Ich bin Lady Margaret Carew.«
    Sie ließ ihn stehen und stürmte nach draußen.
    Perplex kehrte Patel zu dem Gemälde zurück und studierte die von Judith als Lady Margaret Carew bezeichnete Figur. Er stellte fest, daß zwischen den beiden eine verblüffende Ähnlichkeit bestand.
    Zutiefst besorgt verließ er die Galerie, ohne auch nur wahrzu-nehmen, daß ihn viele der angeregt plaudernden Besucher grüß-
    ten. Wenigstens weiß ich, wer diese zweite Persönlichkeit in Judith ist, sagte er sich. Nun mußte er in Erfahrung bringen, was Margaret Carew zugestoßen war, und versuchen, ihren nächsten Schritt einzukalkulieren.
    Ein scharfer Wind war aufgekommen. Als er auf den St. Martin’s Place einbog, hielt ihn jemand fest. »Dr. Patel«, lachte Judith. »Es tut mir furchtbar leid. Ich war so auf die Bilder fixiert, daß mir unsere Verabredung zum Tee erst auf dem Heimweg einfiel. Entschuldigen Sie bitte.«
    Ihre rechte Hand. Die Narbe verblaßte zusehends, bis die Konturen kaum noch zu erkennen waren.

    Am nächsten Tag, dem 1. Februar, regnete es in Strömen. Judith beschloß, zu Hause zu bleiben und zu arbeiten. Stephen teilte ihr telefonisch mit, er werde zu Scotland Yard und dann aufs Land fahren. »Wählt konservativ, wählt Hallett«, scherzte er. »Schade, daß ich auf deine Stimme nicht rechnen kann, du Yankee.«
    »Du würdest sie kriegen«, beteuerte Judith. »Und vielleicht nützt dir die Geschichte, die ich von meinem Vater habe. Er hat behauptet, in Chicago stünde die Hälfte derjenigen, die längst auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hätten, immer noch in den Wählerlisten.«
    »Den Trick mußt du mir beibringen.« Stephen lachte. Dann wurde seine Stimme wieder ernst. »Ich fahre für ein paar Tage nach Edge Barton, Judith. Das Dumme ist, ich werde kaum zu Hause sein, aber möchtest du nicht trotzdem mitkommen? Zu wissen, daß du mich am Abend erwartest, würde mir so viel bedeuten.«
    Judith schwankte. Einerseits wollte sie brennend gern wieder nach Edge Barton. Andererseits verschaffte ihr die Tatsache, daß der bevorstehende Wahlkampf Stephen restlos beanspruchte, freie Hand, in aller Ruhe ihrer Vergangenheit nachzuforschen. Schließlich sagte sie: »Ich möchte schon, aber für die Arbeit ist es bekömmlicher, wenn ich an meinem gewohnten Schreibtisch sitze. Wir würden uns kaum sehen, da halte ich es für besser, hierzubleiben. Ich habe mir vorgenommen, bis zur Wahl meinem Lektor das fertige Manuskript zu schicken.
    Wenn ich das schaffe, werde ich ein neuer Mensch sein, das schwöre ich dir.«
    »Sind die Wahlen erst mal gelaufen, ist es auch mit meiner Geduld vorbei, Darling.«
    »Hoffentlich nicht. Leb wohl, Stephen. Ich liebe dich.«
    Die Vergrößerungen der eingesandten Schnappschüsse waren in einem eigenen Raum in Scotland Yard ausgestellt. Auf mehreren war die Frau mit der dunklen Brille und dem Cape zu sehen, freilich

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