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Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Titel: Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia B. McConnell
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zutreten. Sensible, unterwürfige Hunde weichen schon zurück, wenn Sie in ein paar Metern Entfernung nur Ihren Oberkörper vorlehnen. Und sicher möchten Sie den Unterschied nicht bei zur Aggression neigenden, nach höherem Rang strebenden Hunden ausprobieren, die in die Offensive gehen und auf Sie zukommen.
    Für einen Verhaltenskundler ist die Richtung, in die der Hundekörper weist (vorwärts oder rückwärts) eine entscheidende Information. Ein Hund mag zwar knurren, wenn ich ihm im Eingangsbereich begegne, aber wenn sein Körper auch nur ein ganz klein wenig nach hinten gerichtet ist, weiß ich, dass er eher in Verteidigungshaltung als angriffsbereit ist. Egal wie sehr er knurrt und seine Zähne zeigt, die Gefahr ist gering, solange ich keinen Druck auf ihn ausübe.
    Viel mehr Sorgen macht mir der ruhige, steifbeinige Hund, der still steht und sich nur ein winziges bisschen vorneigt, während er direkt in meine Augen starrt. Hunde, die abwechselnd vor- und zurücktendieren sind unentschlossen und hin- und hergerissen, ob sie angreifen oder flüchten wollen. Sie können unglaublich viel über einen Hund lernen, wenn Sie erst lesen können, in welche Richtung sein Körper tendiert. Sobald Sie dieses Muster im Kopf haben, können Sie es überall sehen – bei dem kleinen Sheltie, der ein winziges bisschen zurückweicht, weil Sie sich vergessen haben und mit Ihrer Pranke über seinen Kopf reichen. Im Park, wenn sich zwei Hunde begrüßen – der eine nach vorne lehnend und der andere zurückweichend. Es wird für Sie so deutlich wie Leuchtreklame und Sie werden sich fragen, wie Ihnen das vorher entgehen konnte.
    Natürlich sind unsere Hunde genauso damit beschäftigt, uns zu lesen, wie wir sie. Wenn Sie lernen, Ihren Schwerpunkt leicht nach hinten zu verlagern, wenn Sie einen Hund begrüßen, können Sie damit in der Regel sicherstellen, dass der Hund Ihre Haltung nicht als bedrohlich empfindet. Wenn Sie leicht seitlich positioniert sind mit Ihrem Gewicht auf dem hinteren Fußbereich, haben Sie das vermieden, was Ethologen eine »Intentionsbewegung« zum Vorwärtsgehen nennen. Hunde können das wie ein Plakat lesen. Es muss gar nicht viel sein; wenn man nicht darauf achtet, ist es kaum wahrnehmbar. Wenn Sie es dagegen mit einem kleinen Schafskopf zu tun haben, der nur aus Schlabberzunge und Pfoten zu bestehen scheint, wild herumhüpft und alle Ihre Worte ignoriert, werden Sie natürlich das Gegenteil tun. Sie bewegen sich mit Bestimmtheit nach vorn, nehmen den Raum für sich in Beschlag und setzen Ihren Oberkörper als Signal für Ihre Absicht ein, die Kontrolle zu übernehmen, bevor Sie »Sitz« befehlen.
    L IES MEINE L IPPEN
    Sandy war ein Cocker Spaniel, blond und lockig wie ein kleiner Schönheitsprinz und so süß und niedlich wie eine Puppe. Aber er stand wie ein Kavallerieoffizier in meinem Büro, wie steifgefroren und nach vorne gelehnt, als würde er sich auf die kommende Schlacht vorbereiten. Seine Augen glühten wie Kohlen, als er seine Besitzerin in meinem Büro anstarrte. Die Besitzerin war gekommen, weil Sandy sie gebissen hatte, und zwar nicht einmal, sondern öfter. Die Bisse waren auch nicht nur ein bloßes Schnappen, sie waren tief und wiederholt. »Mehrfachangriff« nennt man das, wenn der Hund wieder und wieder zubeißt und dabei erheblichen Schaden anrichtet. Beim letzten und bislang schlimmsten Vorfall hatte Sandy sich bis zum Unterarm seiner Besitzerin hochgearbeitet und wiederholt kräftig zugebissen, bis er sich schließlich in ihr Ohr verbiss und nicht loslassen wollte. Sie lebte alleine und es dauerte eine Weile, bis sie sich von dem Hund befreien konnte. Ihr Arm war schlimm verletzt, aber schlimmer noch war ihr gebrochenes Herz. Sie liebte Sandy wie das Leben selbst und ich zweifle nicht daran, dass auch er sie liebte. Jedenfalls meistens.
    Er starrte sie an, wie ich vermute, um sie dazu zu bringen, aufzustehen und ihm ein Spielzeug aus dem Spielzeugkorb zu bringen. Er war schon vorher in unserer Sitzung dorthin gegangen und hatte erst die Besitzerin, dann ein Spielzeug angeschaut. Sie schickte sich an, aufzustehen und ihm das Spielzeug zu holen. Der Spielzeugkorb war niedrig, geöffnet und leicht zugänglich. Nichts hinderte Sandy daran, sich das Spielzeug selbst zu holen – außer dass er offensichtlich wünschte, dass sein Frauchen das für ihn tat. Ich schlug ihr vor, dass sie ihn es selbst holen lassen sollte. Sie erklärte, dass sie Sandy immer seine Spielsachen brachte, wenn er

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