Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
werden sollte. Abby bellt jeden Hund an, den sie sieht, und stürzt auf ihn los, wir wollten ihr nun ein höflicheres Verhalten nahe legen. Luke saß, wie befohlen, ruhig vor dem Haus, und als Abby auf ihn losstürzte (glücklicherweise sicher von einer starken Leine gehalten und in einiger Entfernung), drehte er langsam seinen Kopf zur Seite, als ob er all ihre nervöse Energie umlenken wolle. Die norwegische Hundetrainerin Turid Rugaas nennt den weggedrehten Kopf ein »calming signal«, ein Beschwichtigungssignal, und ich stimme mit ihr darin überein, dass die Geste eine beschwichtigende Wirkung auf andere Hunde hat (allerdings glaube ich nicht, dass Hunde sie unbedingt bewusst zeigen, um einen anderen Hund zu beruhigen).
Wir Menschen können das bewusst tun, was Wolfsforscher »Look aways« nennen, indem wir unsere Köpfe zur Seite drehen, wenn wir einen unbekannten Hund begrüßen oder spüren, dass sich Spannung aufbaut. Sie können Ihren Kopf auch etwas emporrecken – das ist etwas, was ein aufmerksam gespannter, zum Angriff bereiter Hund nie tun würde. Viele Säugetiere recken den Kopf, um mehr Informationen über die Welt um sie herum zu sammeln. Sie tun es fast immer, wenn sie neugierig und relativ entspannt sind. Wenn Sie Ihren Kopf emporrecken, signalisieren Sie dem Hund, dass Sie entspannt sind – was maßgeblich dazu beitragen kann, auch den Hund zu entspannen.
Das Wegdrehen des Kopfes lenkt nicht nur Spannung ab. Genau wie ein Lächeln kann es viele Bedeutungen haben. Meine riesige Pyrenäenberghündin Tulip schaut jeden Abend zur Seite, wenn die unterwürfige Pip zu ihr herangekrochen kommt und nach Aufmerksamkeit sucht. Pip legt sich auf die Seite, klopft mit der Rute, hält ihren Kopf tief und ihre Lefzen zu einem unterwürfigen Grinsen verzogen, während sie zu Tulip hinrobbt und um die Aufmerksamkeit der Alphahündin bettelt. Matriarchin die sie ist, lässt Tulip sich nur selten herab, Pip die ersehnte Aufmerksamkeit zu gönnen. Tulip hebt ihren riesigen quadratischen Kopf ein wenig, Nase in der Luft, und dreht ihr Gesicht von Pip weg.
Rangniedere Hunde streben nach Interaktion, aber ranghohe Hunde entscheiden, ob sie eine Audienz gewähren oder nicht. Manchmal lässt Tulip sich dazu herab, sich wieder umzudrehen und Pips Gesicht zu beschnüffeln (während Pip vor Hingabe zu vergehen scheint). Meistens aber ignoriert sie Pip so lange, bis diese aufgibt und weggeht.
Was also sollte Ihr Hund denken, wenn Sie jedes Mal bei seinem Kommen sofort Ihr Tun unterbrechen und mit Streicheln und Aufmerksamkeit reagieren? Wer macht die Hausordnung im Wohnzimmer? Es ist ganz leicht, Ihrem Hund beizubringen, wie er Aufmerksamkeit von Ihnen bekommt. Genau das tun Sie unbewusst, wenn Sie jedes Mal reagieren, sobald Ihr Hund etwas von Ihnen erbittet (oder verlangt). Vielleicht fragen Sie sich jetzt, was er daraus lernt. Möglicherweise, dass er immer wichtiger ist als alles andere, was Sie gerade tun.
Auf der anderen Seite entstehen die größten Probleme aus dem, was manche Hunde eben nicht lernen. In meinem Büro sehe ich ständig Hunde, die genau wie ein zweijähriges Kind keine Frustrationstoleranz haben. Sie haben immer bekommen, was sie wollten. Genau wie jedes Kind auch müssen sie gelegentlich Frustration ertragen und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Frustration ist ein häufiger Grund dafür, dass ein Hund – oder jedes beliebige andere Säugetier – aggressiv wird. Wenn Sie möchten, dass aus Ihrem Hund ein höflicher Haushund und ein gutes Familienmitglied wird, müssen Sie ihn genauso aufziehen, wie Sie es mit einem Kind tun würden und ihm beibringen zu ertragen, dass man nicht immer das bekommt, was man gerne möchte.
Wenn Ihr Hund um Ihre Aufmerksamkeit bettelt, während Sie gerade mit etwas beschäftigt sind, brechen Sie den Blickkontakt zu ihm ab. Sie können ihn mit Ihrem Oberkörper in einem Body Block wegschieben (denken Sie daran, nicht Ihre Hände einzusetzen) oder Ihren Kopf (mit erhobenem Kinn) in wohlwollender, aber königlicher Zurückweisung abwenden.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell Hunde weggehen, wenn Sie den Blickkontakt zu ihnen unterbrechen. Genauso bemerkenswert ist, wie schwer es uns Menschen fällt, das auch zu tun, wenn wir gerade versuchen, unsere Hunde zu irgendetwas zu bringen. All unsere Instinkte scheinen uns zu befehlen, den Hund anzusehen, genau wie das Primaten tun, wenn sie direkt mit einem anderen Mitglied der Gruppe kommunizieren.
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