Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Elisabeth es nicht auch so halten?«
»Und wenn er es irgendwann herausfindet?«, entgegnete Jeanne.
»Das wäre nicht gut, aber dennoch nicht so schlimm, als wenn er es jetzt schon erführe und sie gar nicht erst heiratete. Er würde ihr böse sein und sich hintergangen fühlen, aber er würde nicht so weit gehen, sie zu verstoßen. Zu viel der Schande bliebe an ihm selbst hängen. Nein, es könnte nur in seinem Interesse sein, die Sache zu vertuschen und nach außen eine gute Miene zum bösen Spiel zu zeigen.«
»Nur wenn wir alleine wären, würde er mich seine Verachtung
spüren lassen, ja mich hassen für das, was ich ihm angetan habe«, sagte Elisabeth leise. »Meinst du, so könnte ich leben?«
»Es ist besser, als ohne Freunde, Geld und Ehemann auf der Straße zu stehen. Du müsstest wissen, wohin das eine Frau treibt«, antwortete Gret brutal.
Elisabeth nickte. »Ja, ich habe es erfahren, und dennoch kann ich mein Leben und meine Liebe nicht auf einer Lüge aufbauen. Ich werde nicht mit ihm vor den Altar treten, ohne ihm alles gebeichtet zu haben.«
Jeanne drückte ihr warm die Hände. »Du tust das Richtige, Liebes.«
Gret dagegen schnaubte. »Dann wirst du gar nicht vor den Altar treten, so wahr ich hier stehe. Kein Mann wird dich heiraten, wenn er die Wahrheit kennt.«
»Nun, dann muss ich eben ein anderes Leben wählen.« Sie reckte sich ein wenig und sah die Freundinnen fest an. »Meine Entscheidung ist unumstößlich!«
»Sie ist so stolz und edel«, seufzte Jeanne.
»Nein, nur dumm, obwohl sie es besser wissen sollte«, widersprach Gret, doch dann lächelte sie, und ihre Miene wurde weich. »Und dennoch bin ich für immer deine Schwester, mit allem, was mir möglich ist.«
»Ich auch!«, rief Jeanne. »Ich werde immer für dich da sein, Lisa, egal, was das Schicksal dir noch bringen mag.«
Elisabeth umarmte beide. Tränen der Rührung standen ihr in den Augen. »Wenn mir früher einmal jemand gesagt hätte, ich würde die edelsten Geschöpfe auf Erden in einem Frauenhaus finden, ich hätte ihm nicht geglaubt.«
»Früher hätte niemand in deiner Gegenwart gewagt, so etwas Sündiges wie ein Frauenhaus auch nur zu erwähnen«, entgegnete Gret trocken.
Als Elisabeth am nächsten Morgen die Augen aufschlug, drangen ungewohnte Laute zu ihrem Gemach herauf. Sie schlug die Decke zurück und sprang aus dem Bett.
»Was ist denn dort drunten los?«, fragte sie Jeanne, die wie üblich bei der ersten ihrer Bewegungen herbeigeeilt kam, um nach den Wünschen ihrer Herrin zu fragen.
Jeanne hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich war noch nicht unten. Ich wollte nicht riskieren, dass du erwachst und ich nicht da bin.«
»Übertreibst du es nicht ein wenig mit deinen Pflichten?«
»Ist es klug, eine Magd so etwas zu fragen?«, gab Jeanne mit einem schelmischen Lächeln zurück. »Was ist, wenn ich dies als Aufforderung verstehe, meine Arbeit zu vernachlässigen?«
»Dann zause ich dir das Haar und schimpfe ganz fürchterlich mit dir«, antwortete Elisabeth mit einem Lachen. »Nun gut, dann hilf mir schnell in mein Gewand, und lass uns sehen, was der ungewohnte Aufruhr im Hof bedeutet.«
Sie mussten hinaus in die Vorburg, um eine Antwort auf ihre Frage zu finden. Im großen Burghof um die Warte trafen sie bereits auf einige ihnen unbekannte Männer, die schwer beladen mit Kisten und Bündeln scheinbar ziellos durcheinanderliefen, während ein kleines Männchen versuchte, Ordnung zu schaffen.
»Was hast du da? Nein, das muss in den Keller hinunter. Dort drüben, und stell es irgendwohin, wo es feucht ist. Feucht und dunkel, hast du gehört, sonst verdirbt alles! Und du? Halt, wohin gehst du? Ins Zeughaus? Blödsinn, trag es in die große Halle. Wir werden die Kiste später selbst auspacken. Und sei vorsichtig, du Tölpel. Lass sie auf keinen Fall herunterfallen. He, Bursche, ja, du dort drüben, komm her und fass mit an, dass er die Kiste heil die Treppe hochbekommt.« Das Männlein wischte sich den Schweiß von der Stirn und ließ den Blick schweifen, bis er an zwei Burschen hängen blieb.
»Nein, was macht ihr denn? Vorsicht! Vorsicht!«, er rannte mit seltsam tippelnden Schritten davon, um dem einen eine kleine Kiste zu entreißen. Mit einem Seufzer barg er sie an seiner Brust und wiegte sie ein paar Mal, als halte er ein Kind in den Armen. Elisabeth und Jeanne tauschten belustigte Blicke. Was ging hier vor sich? Natürlich kamen hier immer wieder Händler mit Waren auf die Festung. Die
Weitere Kostenlose Bücher