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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Lust mit der Vereinigung von Mann und Frau nur Sünde, wenn sie unter Zwang und mit Gewalt geschieht. In Liebe kann sie nicht verderbt sein. Nein, das schließt sich aus. Es ist ein Teil der Natur, des Werdens und Vergehens, das die Welt erfüllt.«
    »Dann wolltest du das? Ich meine, dann hast du meinem Bruder dein Einverständnis gegeben?«
    Gret lächelte milde. »Mehr noch! Ich habe ihn begehrt, und ich habe ihn mir genommen, da er sich zu sehr dem Anstand und deinen Worten verpflichtet fühlte.«
    »Er wird dich nicht heiraten können, selbst wenn er es wollte«, fügte Elisabeth behutsam an, die noch immer nicht recht verstand. Zumindest konnte ihr Gefühl diese Regungen nicht nachempfinden.
    Gret schnaubte abfällig. »Natürlich kann er mich nicht heiraten. Hältst du mich für so einfältig, von so etwas zu träumen? Nein, das liegt nicht in meinem Sinn. Ich bin gern in seiner Nähe, ich schätze ihn, und ich werde mit Freude in seinen Armen liegen, solange es dauert. Keine Angst, ich werde darauf achten, weder ihn noch mich in Schwierigkeiten zu bringen.«
    »Und wenn er fortgeht?«
    Gret überlegte. »Dann bin ich traurig und vermisse ihn. Das ist das Wesen der Liebe. Hast du das nicht gespürt? Du sagtest, deine Liebe gehöre für immer Albrecht von Wertheim.«
    »Ja, ich habe ihn geliebt. Ich liebe ihn noch immer, und der Schmerz seines Verrats hat mir das Herz entzweigerissen«, entgegnete Elisabeth heftig.
    »Und du hast dennoch nie das Verlangen gefühlt, mehr als einen flüchtigen Kuss auf der Wange zu spüren? Dieses Begehren, das den Körper in heißen Wellen durchläuft? Kennst du das nicht?«
    »Meine Liebe war rein und von Gott gesegnet!«
    Gret seufzte. »Sie war eher unreif. Die eines Kindes, das einen Beschützer sucht, statt die einer Frau, die den Mann begehrt.«
    Elisabeth straffte den Rücken. »Ich möchte nicht weiter über Albrecht von Wertheim sprechen. Ich bin nun müde und werde in mein Bett zurückkehren. Mach auch du für heute Schluss. Der Kessel kann bis morgen warten.«
    Gret nickte. »Ja, das kann er, obgleich es eine wundervolle Arbeit ist, wenn der ganze Körper vor Zorn nur so bebt!«
    Elisabeth legte der Freundin die Hand auf die Schulter. »Bist du noch zornig auf mich?«
    Gret bedeckte die weißen, weichen Finger mit den ihren, die rot und rau waren. »Nein, bin ich nicht. Ich wünschte nur, du würdest erfahren, wovon ich spreche. Dein Leben wäre um vieles reicher, denn egal, was die Kirchenleute predigen – die Liebe ist in jeder Erscheinung ein göttliches Wunder. Auch wenn sie als Lust zu uns kommt.«
    Darauf wollte Elisabeth nichts erwidern. Sie strich noch einmal über Grets Arm, dann verließ sie die Küche und kehrte in ihr Bett zurück. Zum Glück schlief Jeanne und löcherte sie nicht mit Fragen. Denn von diesen gab es in ihrem Innern bereits
genug, auf die sie keine Antwort wusste. Zuerst wollte sie die Gedanken verdrängen. Warum sollte ihre Magd in diesen Dingen Weisheit besitzen, die ihr selbst bisher verborgen geblieben war? Albrechts Bild stieg vor ihrem inneren Auge auf, und sie versuchte sich mehr vorzustellen als eine ritterliche Umarmung und einen keuschen Kuss. Sie sah Gret vor sich, nackt in den Armen ihres Bruders. Beide strahlten sie in ihrer Lust Harmonie aus, und Elisabeth fragte sich, wie sie auch nur einen Moment hatte annehmen können, solch eine Vereinigung könne unter Zwang entstehen. Sprang einem der Unterschied zu den Nächten im Frauenhaus nicht geradezu ins Auge? Wieder und wieder lief die Szene in ihrem Kopf ab, und plötzlich bemerkte sie, dass sie keinesfalls Abscheu dabei empfand, sondern eine geradezu unheimliche Sehnsucht. War es wirklich möglich, dass auch sie eines Tages die fleischliche Vereinigung mit einem Mann in Lust und mit Freude würde erleben können?
    Wieder dachte sie an Albrecht. Ihm hätte sie sich freudig ergeben, wenn er sie nach der Hochzeit in ihr Brautgemach geführt hätte.
    Ergeben? Nein, nein, nein, das war das falsche Wort und passte nicht zu dem Bild von Gret und ihrem Bruder. Ergeben lag so nah an unterwerfen und sich aufgeben. Es fehlte die eigene Lust und das Feuer, das zwischen den beiden Körpern knisterte.
    Nein, so etwas konnte sich Elisabeth nicht vorstellen. Sie ließ es zu, dass Albrechts Bild verschwamm und sich auflöste. Doch während sie bereits in ihre Träume glitt, stieg ein anderes Gesicht vor ihr auf, das mit einem ganz und gar männlichen Körper einherging. Er streckte seine Hand

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